Olching. Es geht auch anders. Während sich nicht einmal zwanzig Kilometer Luftlinie entfernt die Menschen unterm Riesenrad in trotzigen Bierzelten zu Tausenden (noch) maßvoll zuprosteten und Blasorchester diese Szenerie lauthals untermalten, wurden am Sonntag im Olchinger KOM Kunst- und Volkslieder dargeboten. Wohltemperiert versteht sich, was aber noch lange nicht hieß, dass das Spiel von Wolfgang Brunner (der auch kenntnissreich durch die mittägliche Stunde führte) und der Gesang von Marianne Herzig nicht auch stürmisch und leidenschaftlich ausgefallen wäre. Dafür sorgte neben dem Können der Künstler auch deren ausgewähltes Repertoire. Lieder aus dem 18. und 19. Jahrhundert, „gesungene Geschichten“, die Tierisches und Botanisches beinhalteten und natürlich, wie kann es anders sein, von der Liebe in ihren unterschiedlichsten Ausformungen erzählten. Ein bunter Strauß an Weisen, komponiert von Wilhelm Pohl (1759 – 1807), Franz Schubert (1797 – 1828), Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788), Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) und Zeitgenossen. EIN REH IM VOLLEN LAUF ZU HASCHEN – nannte sich das Programm und es enthielt durchweg klassische Kurzweil, wenn man das so sagen darf.
Heute würde man von „Songs“ sprechen, die damals den Zahn der Zeit trafen, manchmal inhaltlich jedoch auch ihrer Zeit voraus schienen.
Als Einleitung zu dieser beschwingten 11-11 Mittagsstunde interpretierte Wolfgang Brunner die überaus vitale und lebenssprühende Sonate D-Dur Hob. XVI:37 von Joseph Haydn. Brunner, am eigenen Hammerklavier, bestach durch Klarheit, Heiterkeit und eine notwendige Strenge.
Marianna Herzig sang sich dann durch die drei Abteilungen der Matinee, die sich unterteilten in „Allerhand Tierisches“, „Auf der Blumenwiese“ und „Was uns die Liebe erzählt“. Lieder die von Schmetterlingen handelten (Pohl & Grünwald) von Forellen im Fluss (Friedrich Daniel Schubart) von Veilchen (Mozart/Goethes) und Heideröslein (Schubert/Goethe). Zudem war von ungetreuen Liebhabern, Trennungen und „sehr gewöhnlichen Geschichten“ hier die Rede. Marianna Herzig interpretierte ausdrucksstark, bot den Texten mutig „die Stirn“, war hochemotional in die Inhalte eingebunden. Sie besaß ein wunderbares Timbre, hielt in den Stimmungswechseln ausgezeichnet die Waage zwischen Sentimentalität und lustvoller Hingabe. Auch wenn die Zugabe, „Summertime“ der Brüder Gershwin aus deren Oper „Porgy And Bess“, etwas aus dem stilistischen Rahmen fiel, lockerte dieser Titel das Programm aufs angenehmste auf und man mochte den beiden Musikern nach diesem grandiosen Konzert eigentlich nur zurufen: Mehr davon!
Jörg Konrad