Diese Aufnahme aus dem Jahr 1971, bisher unveröffentlicht, stammt aus einer Zeit, in der Oscar Peterson in explodierender Spiellaune war. Seit 1964 veröffentlichte er jährlich mindestens ein Album bei seinem damaligen Hauslabel MPS. Hier war es die persönliche Freundschaft zu dem Unternehmer Hans Georg Brunner Schwer, der an den Tagen mit seinem Gast von Villingen aus Streifzüge in den Schwarzwald, nach Frankreich und die nahe Schweiz unternahm und am Abend dann, nach einem üppigen Nachtmal in der Fabrikantenvilla, im engsten Kreise Hauskonzerte mit dem Pianisten präsentierte.
1973 wechselte der Kanadier dann zu Pablo Records von Norman Granz (Granz nannte das Label nach dem Maler Picasso, von dem er einige Werke aus seinem Besitz verkaufte, und damit die geschäftliche Grundlage für dieses neue Label schaffte). Hier spielte Peterson bis 1986 in fast ähnlicher Frequenz das nächste über ein Dutzend Alben ein – mit Count Basie, Roy Eldridge, Harry Edison, Joe Pass, Dizzy Gillespie, Ella Fitzgerald, Barney Kessel u.v.a.
1971, am Ende einer Europatour von Oscar Peterson mit dem dänischen Bassisten Niles-Henning Orsted Pedersen und dem Schlagzeuger Louis Hayes gastierte das Trio im Zürcher Kongresshaus in der Claridenstrasse 5. Dieser Auftritt wurde mitgeschnitten und fand erst jetzt erstmals uner dem Titel "On A Clear Day" das Licht der Öffentlichkeit. Petersons liebste Bestzung war das Klaviertrio. Mit Pederson und Hayes hatte er bis dahin noch relativ wenig gespielt – sieht man einmal von der Tournee ab. Aber die menschliche wie musikalische Harmonie untereinander beflügelte ihn und so entstand dieses vorliegende, grandiose Tondokument. Es ruft all jenen, die ihn lang nicht mehr gehört haben, die unglaubliche Reife und Virtuositöt des kanadischen Pianisten in Erinnerung. Er jagt swingend über die Tastatur, nimmt jedes Risiko verwegen in Kauf und ist doch, das darf man an dieser Stelle schon sagen: stets bombensicher. Unangestrengt, ja leicht klingen diese überbordenen Improvisationen – immer eng am Handlauf des Originals entlag. Geeinigt haben sich die drei Musiker auf Standards, wie „Young And Foolish“, Younger Than Springtime“ und den Kurt Weil Song „Mack The Knife“. Doch Peterson ist auch ein ganz besonderer Interpret von Balladen, in denen seine ganze Sensibilität, ja und auch seine introvertiert romantische Seele spürbar wird. Somit wird „On A Clear Day“ nicht nur die Entdeckung eines bisher verschollen geglaubten grandiosen Jazzkonzerts. Es befriedigt zugleich auf hervorragende Weise die innere Lust auf Swing und überragende Virtuosität.
Jörg Konrad