Wer den Film „Sicario“ von Denis Villeneuve kennt, kennt auch die Musik Johann Johannssons. Der Isländer war aber schon vor diesem außergewöhnlichen, osacarnominierten Soundtrack ein Unikat, ein Juwel in der Musikwelt, der mit seinen Arbeiten, meist Synthesen aus klassischen und elektronischen Elementen, immer wieder neu erstaunte und begeisterte. Um so größer die Trauer und Anteilnahme auch aufgrund seines mysteriösen Todes. Mit gerade einmal 48 Jahren war er 2018 in einer Kreuzberger Hinterhof-Wohnung leblos aufgefunden worden.
Neben „Sicario“ hat Johannsson unter anderem auch die Filmmusik zu „Prisoners“, „Arrival“ und „Die Entdeckung der Unendlichkeit (The Theory of Everything)“, für den er den Golden Globe erhielt, geschrieben.
Seine erste Veröffentlichung, „Englabörn“ von 2002, gehört zu den stilprägensten Arbeiten des Autodidakten. 2006 erschien „IBM 1401, A User’s Manual“, eines seiner persönlichsten Werke, da er hier zugleich einen Teil der eigenen Familiengeschichte musikalisch verarbeitete. Johannssons Vater arbeitete für IBM und war für die Installation, Betreuung und Programmierung des ersten Computers auf Island verantwortlich – einem IBM 1401. Johann Johannsson sen. stellte eine Art gesprochenes Handbuch zusammen, in dem die Probleme des Rechners samt Wartungs-Anweisungen enthalten waren. Diese Sprach-Samples verband der Komponist mit berührenden Orchester-Arrangements und schuf so eine einzigartige Atmosphäre, die unterschiedliche akustische Welten und Techniken zusammenbringt. Hier zeigt sich schon früh, dass der Komponist den Klang der Stille, des Schreckens und der Melancholie wie kein anderer beherrscht.
Im letzten Jahr ist ein bisher unveröffentlichtes Orchesterwerk, eine verschollene Symphonie, des Isländers entdeckt und eingespielt worden. „A Prayer To The Dynamo“ lebt von Johannssons stilistischer Variationsbreite, seinem Gespür für Klangwelten, die ebenso leicht und beschwingt daherkommen, wie sie auch Bedrohliches, Aufwühlendes und Tiefgründiges miteinander verbinden. Die titelgebende Komposition ist gleichermaßen von PC-Technologien, Klassikadaptionen und den Soundschattierungen des Kraftwerk Elliðaár, wenige Kilometer von Reykjavík entfernt, beeinflusst. Johannsson verglich das Kraftwerk mit einer Art Kathedrale, die Segen, Mysterium und maschinellen Fortschritt zum Ausdruck bringt. Johannsson hat dieses Stück 2011 im Auftrag des Winnipeg Symphony Orchestra geschrieben, das „A Prayer to the Dynamo“ einmal öffentlich aufführte.
Zudem befinden sich auf diesem Album noch zwei Auszüge aus dem Soundtrack „The Theory of Everything“ und aus der „Sicario – Suite“. Alle Titel sind vom Iceland Symphony Orchestra unter Daníel Bjarnason neu eingespielt und erinnern damit an den schmerzvollen Verlust an einen der größten Komponisten moderner Film- und Bühnenmusik.
Jörg Konrad
Johann Johannsson
„A Prayer To The Dynamo“
Deutsche Grammophon