Ihre Songs scheinen aus fernen Welten zu uns herüberzuwehen. Es sind luftige, melancholische Lieder, die in einer Zeit verzaubern, in der sich die Poesie innerhalb der Musik immer schwerer durchsetzt - weil sie gnadenlos dem Kommerz zum Opfer fällt.
Hania Ranis Werke hingegen sind zauberhafte Hymnen, unberechenbare Metaphern aus dem Jenseits. Die Songs besitzen Brückenfunktion. Rani tastet sich mit ihnen langsam und behutsam in wenig erforschtes, der electronic zugehörendes Niemandsland vor. Hier setzt die in Danzig geborene und heute in Berlin lebende Komponistin, Sängerin, Instrumentalistin und Produzentin auf der Grundlage ihrer Sensibilität und Neugierde individuelle Marksteine. Alben wie „Esja“, „Home“ oder zuletzt ihre Reminessenz an den schweizer Bildhauer und Grafiker
Alberto Giacometti, für dessen Dokumentarfilm „I Giacometti“ (Regie: Susanna Fanzun) sie den Soundtrack komponiert und eingespielt hat, sind ein Beispiel für Suche nach den Sounds, die ihr Innenleben bestimmen und ausfüllen.
Nun „
Ghosts“, ein Album, das ähnlich seinen Vorgängern, mit einem Minimum an instrumentaler Begleitung auskommt. Hania Rani reduziert alle zusätzlichen Stimmungen, um keine überwältigenden Atmosphären zu schaffen. Ihr sind die kleinen musikalischen Dinge, Wendungen und Konturen von großer Wichtigkeit. Ihre Songs sollen atmen, sollen mit der Umgebung in Wechselwirkung stehen. Ihr elfenähnlicher Gesang gibt den Songs noch ein zusätzliches Geheimnis, das für verwunschene Landschaften, zeitlose Abläufe steht.
Welche musikalischen Einflüsse haben Hania Rani aber selbst sozialisiert? „Nun, ich habe natürlich klassische Musik studiert, aber ich habe viele verschiedene Arten von Musik gehört“, erzählte sie in einem Interview. „Ich habe einfach versucht, neue Dinge zu entdecken, wie jeder Teenager oder jedes Kind. Natürlich gab es Bands wie
Radiohead, die für mich sehr wichtig waren,
Pink Floyd und sogar noch vor den
Beatles, dann war es vielleicht eher elektronische Musik. Ich habe mich für alle Arten von Musik interessiert und nie nur für eine Art von Musik.“ Das wird auch an der Wahl ihrer Gastmusiker für „Ghost“ deutlich. Mit dabei sind
Ólafur Arnalds, Duncon Bellamy (
Portico Quartet) und
Patrick Watson.
Hania Rani macht somit auch deutlich, wie wichtig ihr Einflüsse von außen sind – ohne dass das eigene musikalische Ergebnis dabei nach diesen Favoriten klingt. Aber sie helfen ganz gewiss, die eigene Stimme zu finden und den Mut zu haben, den eigenen künstlerischen Weg zu gehen.
Eine Jahreshitparade gibt es bei KultKomplott nicht. Sollte es diese hingegen doch geben, läge „Ghost“ mit Sicherheit ganz weit vorn.
Jörg Konrad
Hania Rani
„Ghosts“
Gondwana
Download / CD / Vinyl