Vielleicht sollte man sich dieses wage Datum merken, denn das Ergebnis des Einspielungsprozesses kann nicht anders als phänomenal bezeichnet werden. Hier treffen völlig unterschiedliche Geister und Persönlichkeiten aufeinander, die auf der Grundlage zeitgenössischem Jazz zu einer gemeinsamen Sprache finden - die spürbar über das Musikalische hinausgeht. Es sind wache und tolerante Charaktere, die hier respektvoll miteinander Umgehen und dabei doch nicht müde werden, eigene Ideen offen einzubringen und herausfordernd umzusetzen. Ihr gemeinsames Ziel scheint es, in gruppendynamischen Prozessen Klangabenteuer zu entwerfen. Sie schöpfen dabei aus den eigenen Erfahrungen, der Improvisationskultur und ihrer individuellen Spielintelligenz. Und doch klingt das Ergebnis nicht allein wie die Summe all dessen. Denn hier entsteht Neues, selbst in den Standard-Interpretationen, auf höchstem Niveau.
Der Musik-Fluss dieses Klavier-Trios sucht sich sein eigenes Bett, umspült dessen flache wie steilen Ufer, mal sanft, mal energisch, mal unterwandernd. Der freie Umgang mit den Vorgaben lässt Untiefen und Wirbel, Stromschnellen und auch sanfte Teilstücke entstehen. Aufmüpfige Themen, stimulierende Melodien, vertrackte Polyrhythmen - alles greift in diesem brodelnden Kontext wie in einem Uhrwerk präzise ineinander. Widersprüche und Risiken sind vitaler Bestandteil dieses leidenschaftlichen Meisterwerks. Man möchte keinen der Interpreten herausstellen, so geschlossen und so essenziell klingt das ganze Album. Eines für die Ewigkeit.
Jörg Konrad
Vijay Iyer Trio
„Compassion“
ECM
„Compassion“
ECM