Seine Diskographie ist gewaltig, in der
Kristjan Randalu wiederholt die Felder von Jazz und Klassik bestellt. Dabei ist alles, was der Pianist spielt, absolut verbindlich. Ein moderner Solist, voller kreativer Unruhe und instrumentaler Kompetenz. Besonders deutlich wird dies in seiner Interpretation von
Robert Schumanns „
Dichterliebe“, einem Liederzyklus, der auf dem „Lyrischen Intermezzo“, einer Sammlung von 65 Gedichten aus der Feder Heinrich Heines, basiert.
Doch der in Estland geborene Randalu spielt die Kompositionen Solo, allein am Klavier, ohne Singstimme. „Das abstrakte Element der Musik ohne Worte hat mich schon immer fasziniert“, erläutert er, „und diese Lieder begleiten mich schon seit vielen Jahren. Mein Ziel war es den Zyklus in jener Sprache neu zu interpretieren, bei der ich heute angelangt bin.“ Und diese Sprache scheint keine Grenzen zu kennen, bzw. sind diese bei dem heute 45jährigen fließend.
So kommen seine Interpretationen aufgrund der „eingeschleusten“ Improvisationen sehr schnell ins Fahrwasser des Jazz. Doch hier klingt nichts lieblich oder wohlgefällig. Randalu seziert Schumanns Vorgaben geschickt, erweitert den Notentext, nimmt ihn harmonisch auseinander, setzt neue rhythmische Impulse, umspielt die (gedachten) Gesangslinien. So klingt das Ergebnis weniger „klassisch“, als vielmehr nach einem zeitgemäßen, unmittelbaren, um nicht zu sagen spontanen musikalischen Akt.
Die Musik steht für sich, kommt Randalus Anspruch, Musik nicht als perfekt Ware zu präsentieren, sondern mit ihr unsere Umgebung hier und jetzt widerzuspiegeln, sehr sehr nahe. Emotion und Intelligenz begegnen sich auf Augenhöhe. Die Musik ist ebenso ergreifend wie bodenständig, besticht in ihrer Klarheit wie in ihrer Vielschichtigkeit, ist risikofreudig wie auch besonnen. Kurzum: Eine brillante Einspielung.
Jörg Konrad
Kristjan Randalu / Robert Schumann
„Dichterliebe“
Berlin Classics