Germering. Fragt man Jazzfreunde, was sie an „ihrer“ Musik so begeistert, lautet bei acht von zehn Enthusiasten die Antwort mit großer Wahrscheinlichkeit: Die Freiheit. Natürlich Freiheit innerhalb eines gewissen Rahmens. Duke Ellington, der „Tonmaler des Jazz“ drückte es einmal so aus: „Jazz ist die Freiheit, viele Formen zu haben“ und Dave Brubeck meinte zu diesem Thema: „Jazz ist wahrscheinlich die einzige heute existierende Kunstform, in der es die Freiheit des Individuums ohne den Verlust des Zusammengehörigkeitsgefühls gibt.“ Wie dieses Gefühl Freiheit in der Praxis klingt, davon gab am Freitagabend das Quartett Fusk in der Germeringer Stadthalle eine akustische Probe. Vier Musiker, wobei jeder seine Individualität auslebt und sie doch gemeinsam etwas reizvoll Kreatives schaffen. Denn zum einen greifen Tomasz Dabrowski (Trompete), Rudi Mahall (Klarinette, Bassklarinette), Andreas Lang (Bass) und Kasper Tom Christiansen (Schlagzeug) mutig wie selbstbewusst in die große Archivkiste des Jazz. Egal ob Swing oder Bop, ob Ragtime oder Blues - sie blicken mit Freuden in Richtung Vergangenheit und reichern auf der anderen Seite diese mit avantgardistischen Zwischentönen und exzentrischen Überzeugungen an, dass man manchmal die Tradition wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen sucht. Sie geben der Musik eine neue, von Gruppendynamik geprägte neue Richtung und schaffen auf der Bühne faszinierende Klangunikate.
Sie sind absolute Meister der Brüche und der Komplexität. Da ist der Kontrast zwischen streng auskomponierten Intervallen und freier Improvisation, der akzentfreie Wechsel von Takten und Harmonien, der Übergang von lustvoller Moderation zu konzentrierter, hintersinniger Musikalität. Alles steht bei Fusk miteinander in Beziehung, befindet sich in ständiger Bewegung, ohne Pathos versteht sich, stattdessen bodenständig, manchmal auch völlig entspannt. Oder eben stürmisch. Ein internationales Quartett, das sich keinen Deut darum schert, wie unterschiedlich doch Kulturen sein können. Die Heftklammer des Jazz hält alles zusammen, macht aus „den Vier“ eine verschworene Truppe. Wenn es so etwas gäbe, hätten Fusk den Stresstest Jazz mit bravour bestanden.
Jörg Konrad