Duke Ellingtons Auftritt beim Berliner Jazz Festival 1973 löste einen regelrechten Eklat aus. Der Altmeister wurde nach Streitigkeiten mit dem Veranstalter, Ellington sollte im Trio auftreten und brachte dann ein Oktett auf die Bühne, vom Publikum gnadenlos ausgebuht, nicht zuletzt, weil Sänger Tony Watkins das Stück „The Prayer“ mit allen nur denkbaren Nachtclub-Klischees anreicherte. Das Berliner Publikum orientierte sich, besonders in diesen Jahren, jazz-ästhetisch neu. Musik war zu jener Zeit politischer und provokanter. Ellington spielte mit seiner Band jedoch „altes“ Material, wie „Take The „A“ Train“, „Sophisticated Lady“, oder „Pitter Panther Patter“. Der Duke bekam nach dem Auftritt am Nachmittag des 02. November in seiner Garderobe angeblich einen Herzanfall. Das Wiederholungskonzert am Abend lief hingegen völlig problemlos.
Tony Watkins Gesangsnummer ist auf der vorliegenden CD nicht enthalten. Und auch das kritische Publikum stört die Aufnahme nicht. Heute, fast fünf Jahrzehnte später, wäre dies auch kaum vorstellbar. Ellington gilt als Genie und als er nur ein halbes Jahr nach dem vorliegenden Auftritt starb, schrieb eine Zeitung von dem größten Einzeltalent der Jazzgeschichte, das nun für immer verstummte. Doch es gibt seine Musik in unterschiedlichen Formaten, die noch immer, auch bei jungen Hörern, für Begeisterung sorgt.
Die Hälfte des Albums „Live At The Berlin Jazz Festival“ stammt aus eben jenem erwähntem Konzert, der zweite Teil ist vier Jahre zuvor an gleicher Stelle, der Berliner Philharmonie, mitgeschnitten. Und beide lassen erahnen, um welch ene Persönlichkeit es sich bei Duke Ellington handelt. Immerhin hat er über 2000 Jazzsongs komponiert, von denen einige Dutzend zu Standards wurden. In seinen Formationen hatte er die Leitungsfäden fest in den Händen, beeindruckte aber zugleich mit einer unglaublichen Coolness und Lockerheit im Umgang mit dem Klangkörper. Disziplin UND Lässigkeit lagen ihm im Blut. Natürlich hatte Ellington auch immer ausgezeichnete Solisten an seiner Seite, die ebenso perfekt vom Blatt zu spielen verstanden, wie sie hervorragende Improvisatoren waren. In Berlin waren damals Trompeter Cat Anderson und Cootie Williams, die Saxophonisten Paul Gonsalves, Johnny Hodges und Harold Ashby mit auf der Bühne. Die allein sorgten schon für eine echte Jazz-Stern-Stunde.
Ellingtons Bands hatten immer einen bestimmten Sound, der swingend und growlend Eleganz und Leidenschaftlichkeit ausstrahlte. Vieles von dem fängt dieser Mitschnitt ein – und macht zugleich Lust, wieder einmal mehr vom König von Harlems Cotton Club zu hören …. .
Jörg Konrad
Duke Ellington
„Live At The Berlin Jazz Festival 1969/73“
The Lost Recordings