Haben Sie einen Artikel verpasst? Dann klicken Sie hier. Im Archiv finden Sie auch ältere Veröffentlichungen.
1. Christian Sands „Embracing Dawn“
2. Alan Broadbent „Broadbent Plays Brubeck“
3. Ibrahim Maalouf „Trumpets Of Michel-Ange“
4. Sidsel Endresen / Jan Bang / Erik Honoré „Punkt Live Remixes Vol. 2“
5. Sarah Davachi „The Head As Form'd In The Chier's Choir“
6. Bremer/McCoy „Kosmos“
Mittwoch 02.10.2024
Christian Sands „Embracing Dawn“
Bilder
Christian Sands hat den Blues, ohne wirklich Bluesmusiker zu sein. Der amerikanische Pianist swingt und boppt wie ein alter Hase. Dann wieder lebt seine Musik von einer unglaublichen Melancholie. Seine Balladen klingen erfrischend und straight – selbst dann, wenn Streicherschwaden einzelne Kompositionen durchwehen. Es sind wunderbare Kompositionen, bis auf eine Ausnahme alle aus Sands Feder, fantasievoll und gleichzeitig bodenständig. Sie lassen jeweils genügend Raum für kurzweilige Improvisationen, die der Pianist lässig aus dem Ärmel schüttelt. Bei ihm paaren sich auf geniale Weise Perfektion und Authentizität.
Fünfunddreißig Jahre jung ist der Klavierspieler und legt mit „Embracing Dawn“ schon sein achtes Album vor. Er spielte unter anderem an der Seite von James Moody und Wynton Marsalis und gehört seit etlichen Jahren zum Christian McBride Trio. Eine Unglaubliche Vorgeschichte für dieses Alter. Und da ist klar, dass man schon einiges musikalisch zu erzählen hat.
Mit Yasushi Nakamura (Bass) und (Bruder) Ryan Sands (Schlagzeug) besitzt er ein Rhythmusduo der Extraklasse, zwei Instrumentalisten die verlässlich begleiten und inspirierend wirken. Hin und wieder stößt Giarrist Marvin Sewell als Solist zu dem Trio und setzt mit seinem Instrument nicht nur zusätzliche Klangfarben, sondern er erweitert das musikalisch komplexe Geschehen um eine dynamische Stimme. Ein Musiker, der organisiert eine gewisse Freiheit ins Spiel bringt und „Embracing Dawn“ irgendwie veredelt.
Jörg Konrad

Christian Sands
„Embracing Dawn“
Mack Avenue
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Dienstag 01.10.2024
Alan Broadbent „Broadbent Plays Brubeck“
Bilder
Dave Brubeck gehört zu jenen Instrumental-Stars des Jazz, die formalistisch-polyphon unterwegs waren, die mit ungeraden Metren, erweiterten Tonalitäten und klassizistischen Formen experimentierten und dabei dem „Third Stream“ recht nahe kamen. Sie eroberten in ihren Glanzzeiten, Ende der 1950er bis Ende der 1960er Jahre, mit der intellektuellen Mittelschicht ein neues Publikum für den Jazz. Brubeck, der von der Westküste der USA kommend sich auch nicht scheute, europäische Klangideen in seine Musik mit einzubringen, gehört mit seinen fantasievollen Kompositionen und seinen ambitionierten Improvisationen und vor allem mit seinem legendären Quartett, zu dem der kongeniale Altsaxophonist Paul Desmond gehörte, zu den Klassikern des Genres. Bis zu seinem 90. Lebensjahr hat Pianist Brubeck komponiert und etliche Klavier-Solo-Alben eingespielt.
Ein Großteil seiner Kompositionen gehören heute zum Standard-Programm des Jazz, wenn auch nicht unbedingt in den Katalog des Great American Songbooks. Alan Broadbent, Pianist, Arrangeur und selbst Komponist, hat anlässlich des 100 Geburtstages Dave Brubecks ihm zu ehren vor vier Jahren mit einem 36-köpfigen Streicherensemble in den Londoner Abbey Road Studios das Album „Broadbent Plays Brubeck“ eingespielt. Eine Hommage an eben jenen Stilisten des Jazz, der sich mehr mit barocken Formen, Fugen, Polytonalem, dem Kontrapunkt und exotischen Rhythmen fremder Kulturen beschäftigte. Elf Kompositionen versammelt die CD als auch die stark limitierte Vinylauflage, zu denen Stücke wie „The Duke“ (das eigentlich „The Duke Meets Darius Milhaud“ heißt), die Ballade „Home At Last“, der Jazz-Klassiker „Blue Rondo A La Turk“ und das vielleicht meist gecoverte Brubeck Stück überhaupt „In Your Own Sweet Way“ gehören. Die Nummer „Theme For June“ stammt aus der Feder Howard Brubecks, Daves älterem Bruder.
Broadbent interpretiert all diese Songs, trotz den Streichern der London Metropolitan Strings, in einer sparsamen und kunstvoll abgeklärten Form. Er ist ein Meister der Arrangierkunst, versteht es mit Stimmungen und Atmosphären umzugehen, weiß klangliche Brücken zu bauen und der Musik trotz aller Präzision eine offene Beiläufigkeit zu geben. So behält die Musik auch eine gewisse Intimität, oder sagen wir besser Individualität, weitab vom akustischen Zuckerguss, den Streicher leicht erzeugen können. „Broadbent Plays Brubeck“ ist zu dem Würdigung, für den vielleicht auch erfolgreichsten Jazzmusiker. Denn der Titel dieses Albums spielt auf eine Aufnahme Brubecks an, „Brubeck Plays Brubeck“ aus dem Jahr 1959, das erste Jazzalbum, das über 1 Millionen Mal verkauft wurde.
Jörg Konrad

Alan Broadbent
„Broadbent Plays Brubeck“
Eden-River-Records
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Montag 30.09.2024
Ibrahim Maalouf „Trumpets Of Michel-Ange“
Bilder
Scharf akzentuierte Trompetensätze auf dem Boden von Synkopen durchzogenen Rhythmen, funkelnde Girlanden von ungeraden Metren, eine pulsierende Virtuosität und explodierende Energie – Ibrahim Maalouf sprengt mit seiner Musik jedes orthodoxe Verständnis von Mainstream. Der heute in Paris lebende libanesische Trompeter verbindet unterschiedliche Kulturen miteinander, er spielt Jazz und Klassik, improvisiert ausdrucksstark und ist zugleich ein ausgezeichneter Blattspieler; er beherrscht die Folklore seiner Vorfahren, hat Rhythm&Blues Projekte initiiert und mit französischen Rapkünstlern gearbeitet.
Er selbst fühlt sich aber stärker als Komponist, auch wenn er schon im häuslichen Umfeld sein Instrument intensiv studieren musste. „Als ich jünger war“, erzählte er in einem Interview, „wollte ich eigentlich Sänger werden. Aber meine Stimme war halt nicht so schön – da habe ich es gelassen.“ Er hat den Gedanken der menschlichen Stimme auf die Trompete übertragen, singt auch in sein Instrument hinein und klingt auf diese Weise, trotz seiner meisterhaften Beherrschung des Instruments und dem feurigen Temperament, ungemein gelassen und großzügig.
Im Mittelpunkt steht bei Maaloufs Klangfesten der Weltmusik die von seinem Vater Nassim
Maalouf erfundene Vierteltontrompete. Ein Instrument mit vier Ventilen, das dem Spieler ein größeres Klangspektrum ermöglicht. Ibrahim handhabt das Instrument mit atemberaubender Sicherheit, jagt mit ihm die östlichen und westlichen Ton-Skalen rauf und runter, spielt in schwindelerregenden Höhen, schmettert die Themen in den Äther, oder schmückt die melodische Ornamentik seiner packenden Kompositionen geschickt aus.
Auf „Trumpets Of Michel-Ange“ erzählt er instrumental eine Liebesgeschichte, die Lebensreise zweier Menschen, von ihrem ersten Kennenlernen, der gemeinsamen Hochzeit, der Geburt ihrer Kinder. Maalouf spielt mit seiner Band voller Leidenschaft und das bedeutet: hart, laut, schnell, mit eingebetteten, herzerweichenden Phrasen. Eine melancholische Ekstase, bei der nicht unbedingt jeder Ton sitzt, was der Musik diese folkloristische Note gibt. Es ist Maaloufs mittlerweile sechzehntes Album und es klingt in seiner Lebendigkeit und Vielfalt einfach mitreißend. Weltmusik der Superlative.
Jörg Konrad

Ibrahim Maalouf
„Trumpets Of Michel-Ange“
Sony
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Freitag 27.09.2024
Sidsel Endresen / Jan Bang / Erik Honoré „Punkt Live Remixes Vol. 2“
Bilder
Vor zwanzig Jahren, im September 2005, gründeten die beiden DJs und Elektroniker Jan Bang und Erik Honoré das erste „Punkt Festival“ in Kristiansand. Das Konzept bestand von Beginn an in der experimentellen Auseinandersetzung von analoger und digitaler Klangkunst. Die beiden Protagonisten luden seitdem immer wieder Musiker an die Südküste Norwegens, die entweder in diesem Grenzgebiet der Klangbildung von Hause aus tätig waren, oder die neue Projekte an diesem Ort erstmals der Öffentlichkeit vorstellen wollten. Unter vielen anderen waren in Kristiansand seitdem dabei: Jon Hassell, Mats Eilertsen, Frode Haltli, Tigran Hamasyan, Bugge Wesseltoft, David Toop, Arve Henriksen, Laurie Anderson, Fennesz, Moritz von Oswald und Nils Petter Molvaer.
Seit einigen Jahren ist das Live-Remix-Konzept beim Punkt Festival von zentraler Bedeutung. Es werden direkt nach den Konzerten von Musikern und DJs spontane Neuinterpretationen der ursprünglichen Aufführung kreiert, die eine dynamische und kollaborative Erforschung des Ausgangsmaterials ermöglichen. Die Ergebnisse dieser Prozesse klingen in ihrer Umsetzung häufig völlig anders, als der musikalische Grundstoff und erweitern damit den an sich schon vorliegende Klangkontrast um eine zusätzliche Dimension.
Mittlerweile haben Bang & Honoré ein eigenes Label aus der Taufe gehoben: Punkt Editions. Hier werden die flüchtigen Momentaufnahmen einzelner Tonkünstler konserviert nacherlebbar. Auf dem vorliegenden „Punkt Live Remixes Vol. 2“ befinden sich zwölf Remixe in deren Zentrum sich die norwegische Sängerin Sidsel Endresen, sowie die beiden Elektroniker Bang und Honoré befinden. Es handelt sich dabei nicht nur um Auftritte des Trios beim Festival in Kristiansand, sondern auch um ausgewählte Live-Remixe von internationalen Tourneen des Trios, in den Jahren von 2005 bis 2012. Eingespielt, bzw. remixt mit dem Frankfurter Ensemble Modern, Jon Hassel Maarifa Street, den Three Taped Tigers, dem Ensemble Ü und anderen.
Es sind Aufnahmen von bizarrer Schönheit; zerbrechliche Landscapes, die nach akustischen Erkundungen von seelischen Befindlichkeiten klingen; zeitlose Gesänge und Instrumentalmusik, die zwischen Orient und Okzident mäandern und eine Welt als einzigartiges Klangabenteuer zusammenführen. Dies ist nichts für eilige Zeitgeistsurfer.
Jörg Konrad

Sidsel Endresen / Jan Bang / Erik Honoré
„Punkt Live Remixes Vol. 2“
Punkt Editions
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Dienstag 24.09.2024
Sarah Davachi „The Head As Form'd In The Chier's Choir“
Bilder
Bei Sarah Davachi, der Wissenschaftlerin, Komponistin und Organistin aus Kanada, wächst die Musik aus einer ganz spezifischen Stille. Die Klänge, die sie erzeugt, scheinen eine Ewigkeit unterwegs, bis sie zu uns vorstoßen, uns bewusst werden und (Ton-)Formen annehmen. Dabei pulsieren ihre stillen, sonoren Sounds, ertasten Räume und Zeiten, füllen diese Schicht um Schicht. Tönende Landschaften, Seelenlandschaften, die tief in das Bewusstsein dringen. Denn Sarah Davachi komponiert und spielt einzig und allein ihre Musik. „Ich mache Musik für mich – ich mache die Musik und den Sound, den ich hören möchte und hören will“, sagte sie in einem Interview. „Es ist wahrscheinlich so einfach: Die Art von Musik zu machen, die ich selbst erleben möchte, ist einfach in vielerlei Hinsicht ein zutiefst befriedigendes Erlebnis.“ Damit steht sie in der Tradition der großen Komponisten, die zwar Aufträge der Fürsten, Grafen und Könige entgegengenommen haben, aber letztendlich, ohne den „Klassik-Markt“ zu analysieren, ihre urpersönliche Musik geschaffen haben.
The Head As Form'd In The Chier's Choir“ ist das neuste Werk in der umfangreichen Discographie von Sarah Davachie, eingespielt in Los Angeles, Montreal, Berlin und Sarahs eigenem Studio. In den sieben Kompositionen bezieht sich die Kanadierin auf den antiken griechischen Orpheus-Mythos: Auf Rilkes Sonette an Orpheus, eine Gedichtsammlung aus dem Jahr 1922; und an Monteverdis l'Orfeo, eine frühe Barockoper aus dem Jahr 1607. Sie nutzt dabei die ihr vertrauten (elektronischen) Instrumente, wie das Mellotron, den Korg CX-3, den Prophet 5 und den Korg PS-3100 und verschiedene (akustische) Pfeifenorgeln. Diese elektroakustische Distanz überbrückt sie auch mit der Unterstützung von verschiedenen Musikern und Instrumentalgruppen, wie mit (barocken) Streichern und Blechbläsern (Harmonic Space Orchestra Berlin). Am Ende entsteht ein offenes kammermusikalisches Werk in tieftönender und erschütternder Ästhetik. Angelegt zwischen Ambient, Instrumentalkonstellationen, sakralem Gedächtnis sowie aufwühlender und dröhnender Stille.
Jörg Konrad

Sarah Davachi
„The Head As Form'd In The Chier's Choir“
Late Music
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Montag 23.09.2024
Bremer/McCoy „Kosmos“
Bilder
Musik zwischen den Welten, elegant wie sensibel, voller Konzentration und Hingabe gespielt. Das ist die Spezialität der beiden Dänen Jonathan Bremer (Kontrabass) und Morten McCoy (Piano, Wurlitzer, Electronics). Seit über zehn Jahren mäandern sie gemeinsam an den Demarkationslinien von Jazz, Ambient, Electro und Dub. Dabei überschreiten sie nicht selten die Begrenzungen – mal in die eine Richtung, mal in eine andere. So auch auf „Kosmos“, ihrem bisher sechsten Album. Eine Ode an die Seelenruhe, ein Manifest der Regeneration und Harmonie.
Beide Musiker kennen sich schon seit ihren Kindheitstagen in Kopenhagen. Ihre gemeinsame Sozialisation schuf eine tiefgreifende Verbundenheit, die auf ihren Alben und bei ihren Live-Auftritten inhaltlich zum Ausdruck kommt. Es ist eine Symbiose von Klang und Form, von Instrumentalstimme und Sound. Bremer schreitet mit seinen groovenden und unangestrengten Bassmotiven voran, die wie eine stille Naturerscheinung die Musik grundieren. Es sind subtile Spaziergänge in tiefer Melancholie, trotz wachem Geist. McCoy setzt darüber wunderbar verspielte Harmonien und Melodien von dunkler und zeitloser Schönheit. Es sind fast vokale Linienführungen, die er an den Tasteninstrumenten entwickelt und die sich autark entfalten. Zusammen klingen Bremer/McCoy nach positiver Lebensfreude, nach einer Reise zum Mittelpunkt der Intimität.
Jörg Konrad

Bremer/McCoy
„Kosmos“
Luaka Bop
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
© 2024 kultkomplott.de | Impressum
Nutzungsbedingungen & Datenschutzerklärung
KultKomplott versteht sich als ein unabhängiges, kulturelle Strömungen aufnehmendes und reflektierendes Portal.