Fürstenfeld: Bach-Chor und Bach-Orchester Fürstenfeldbruck - Eindringliche Ausdrucksbreite
Höchst beeindruckende Aufführung von Giuseppe Verdis „Requiem“ in der Klosterkirche Fürstenfeld
Fürstenfeld. Als „Oper im Kirchengewand“ bezeichnete der Dirigent Hans von Bülow im 19. Jahrhundert das „Requiem“ von Giuseppe Verdi. Und genau an diesem Punkt scheiden sich die Geister bis heute: Obwohl Verdi nichts anderes getan hat als viele Komponisten vor ihm, nämlich die stilistischen Mittel seiner Zeit auf ein geistliches Werk zu übertragen, wird seinem Requiem immer wieder mangelnde Kirchlichkeit vorgeworfen. Dabei bewegt sich ein Requiem immer auf der Trennlinie zwischen Diesseits und Jenseits. Was das Jenseits angeht, so muss das unausweichlich Spekulation bleiben. Weder den Beweis, noch den Gegenbeweis, dass die Musik im Himmel nach Bach oder Verdi klingt, kann ein Mensch antreten. Wird Verdis Requiem im Sommer aufgeführt, stellen sich schnell Stimmungen wie bei den Opernfestspielen von Verona ein. Aber auch dieser Art der Lebensfreude widerspricht ein Requiem nicht, kennt der Tod doch weder Jahreszeit noch Monat.
Nach elf Jahren hatten
Bach-Chor und
Bach-Orchester Fürstenfeldbruck unter der Leitung von
Gerd Guglhör das Requiem von Giuseppe Verdi am 06. Juli wieder auf ihr Programm in der ausverkauften Klosterkirche Fürstenfeld gesetzt. Die Zahl der Sängerinnen und Sänger im Chor erfuhr dabei eine Erweiterung durch die Hinzunahme des ebenfalls von Guglhör geleiteten „orpheus chor münchen“. Als Solisten waren
Susanne Bernhard (Sopran),
Freya Apffelstaedt (Mezzosopran),
Mario Lerchenberger (Tenor) und
Daniel Ochoa (Bass) zu hören. Eine große Zahl an wunderbaren Bläsern ermöglichte einen bis in Nuancen ausdifferenzierten Orchesterklang.
Sowohl in der Oper, als auch bei der Frage des Lebensendes, werden vielfältige emotionale Gefühlslagen fokussiert und verdichtet. Und allein aufgrund der riesigen Zahl an Mitwirkenden liegt die Vermutung nahe, dass diese Aufführung vor allem laut gewesen sein könnte. Erstaunlicherweise war das Gegenteil der Fall: Innerhalb der großen dynamischen Spannweite waren es insbesondere die ganz leisen Passagen, die tief berührten und quasi unter die Haut gingen. Schon in der Eröffnungsnummer „Requiem“ wurde durch das Orchester und mehr noch durch den Chor ein samtener Klangteppich in der Kirche ausgelegt, der eine mystisch-entrückte Stimmung zauberte. In diese hinein kontrastierte der imitatorische Choreinsatz „Te decet hymnus“, der im kraftvollen Forte den Lobpreis Gottes intonierte. Diese dynamischen Pole unterschieden sich jedoch nicht in der Spannung, so dass Intensität und Vitalität stets erhalten blieben. Beeindruckende klangmalerische Effekte prägten immer wieder die Aufführung: Das „Dies irae“ peitschte den Zorn Gottes in donnernden Akkorden und herabstürzenden Tongirlanden auf die Erde, der Chor verstärkte im homophonen Satz diesen Ausdruck noch.
Verdis ausgeklügelte Dramaturgie mit dem Wechsel an Ausdrucks- und Besetzungsformaten fordert von den Interpreten den großen Spannungsbogen. Den Rückbezug auf die Tradition der Kirchenmusik stellte die kurze Imitation der Chorstimmen bei „Salva me“ dar, die dann mit den Solisten zu einem achtstimmigen Gesamtklang verwoben war. Wunderbar waren die vier herausragenden und auch in ihrem Zusammenklang ideal aufeinander abgestimmten Solisten im intimen Satz „Domine Jesu“ zusammengeführt. Der sparsame Orchestersatz stellte hier eindringlich das vokale Element in den Vordergrund, was sich aus dem Inhalt des Abschnitts mit der Bitte um Befreiung der Seelen kongenial ergab.
Der bittende Gestus und die Unvollkommenheit des Menschen waren im „Agnus Dei“ durch den solistischen Beginn ausschließlich mit Sopran und Mezzosopran im Unisono sehr beeindruckend umgesetzt. Diese Eindringlichkeit wurde im weiteren Verlauf noch gesteigert durch den im Pianissimo, ebenfalls unisono einsetzenden Chor. Wie entfesselt wirkte der Charakter im „Libera me“ am Ende. Der kraftvoll und vor Zuversicht strotzende Chorsatz hätte diese fulminante Wirkung jedoch nicht erreichen können, wären ihm nicht der Hauch der Worte „Requiem“ im vierfachen Piano unmittelbar vorausgegangen und wäre er am Ende nicht in das „Libera me“ in gleicher Weise gemündet.
Dem großen Beifall gingen gefühlt unendliche Momente des Schweigens voraus, untrügliches Zeichen dafür, dass die Musik bei den Zuhörern angekommen war.
Klaus Mohr