Hier spielt einer mit bewegenden Nuancen und speziellen Färbungen, mit einem sehr persönlichen Sound und nachhaltiger Phrasierung. Seine Improvisationen sind das Ergebnis von Hingabe und Erfahrung und einem unspektakulären Gespür für Dramaturgie und Sensibilität. Er beherrscht die Kunst des Balladenspiels und zugleich auch die temperamentvoll überschäumende Variante frei schwingender Melodien. Es ist schon einige Jahre her, da wurde Tobias Meinhart vom deutschen Musikmagazin „Jazzthing“ als „eines der größten deutschen Talente am Tenorsaxophon“ gehandelt. Mittlerweile hat der aus der Nähe von Regensburg stammende Musiker in der Tat diesen Anspruch eingelöst. Nicht nur, dass Meinhart seit nunmehr fünfzehn Jahren in New York lebt. Hier, im Melting Pot des Jazz, ist er etliche Zeit schon fester Bestandteil der Szene. Er arbeitete mit Kurt Rosenwinkel, Tom Berkmann und Ingrid Jensen zusammen und spielt regelmäßig in legendären Clubs wie dem Blue Note, dem Birdland oder in der Reihe Jazz At The Lincoln Center.
Gerade erst gründete er sein eigenes Label Sonic River Records, auf dem dieser Tage sein zehntes Album „Sonic River“ erschienen ist. „Es geht auf dem Album um den Spirit des Jazz“, beschreibt der Saxophonist seine Herangehensweise an die Musik. „Ich traue mich, das auszudrücken, was in diesem Moment gerade in mir vorgeht“.
Absolut mutig dann auch seine Umsetzung der insgesamt elf Kompositionen. Ein Stück stammt vom legendenumwobenen Folk-Blues-Man Leadbelly („Where Did You Sleep Last Night?“), die restlichen Nummern hat Tobias Meinhart selbst geschrieben. Dazu gehört auch eine Vertonung des Rilke-Gedichts „Der Panther“ und die Verarbeitung eines Textes der argentinischen Lyrikerin Alejandra Pizarnik. Auch das zeigt wiederum, mit welchem Selbstbewusstsein Meinhart heute seine Ideen umsetzt.
Seine hochkarätig besetzte Band mit Eden Ladin (Klavier), Charles Altura (Gitarre), Matt Penman (Bass) und Obed Calvaire (Schlagzeug) ist ausgezeichnet aufeinander abgestimmt. Freiheit und Disziplin, Differenziertheit und Komplexität gehören zum Grundgerüst des Quintetts. Eine dynamische Rhythmusgruppe treibt die Band zu immer weiteren Höhepunkten. Es ist eine Wohltat Gitarrist Altura auf seinen unangestrengten Läufen zu folgen. Eden Ladin hält mit seinen Harmonien das Große Ganze zusammen und beeindruckt mit höchst eleganten Solis. Im Mittelpunkt natürlich Tobias Meinhart, der am Saxophon die Themen streckt und verdichtet, ein Kaleidoskop an Stimmungen entwirft, mutig insistiert, aber auch die Stimme von Sara Serpa, in den beiden Gesangsnummern, einfühlsam zu unterstützen versteht. Was hier noch fehlt, sind einige Live-Eindrücke - die jedoch schon fest geplant sind.
(10.07. bis 13.07. in Regensburg; 05.08. bis 09.08. Berlin – A-Trane)
Jörg Konrad
Tobias Meinhart
„Sonic River“
Sonic River Records