Das Sternbild Löwe dominiert als Frühlingssternbild den abendlichen Himmel. Mit Regulus steht der hellste Stern dieser Konstellation Mitte des Monats gegen 23 Uhr bereits im Südwesten. Mit der Jungfrau und ihrem Hauptstern Spica befindet sich nun gegen Mitternacht ein weiteres Frühlingssternbild genau im Süden. Noch immer halten sich die Planeten Mars und Jupiter in den Wintersternbildern Zwillinge und Stier auf. Deren Sichtbarkeit wird sich aber in den kommenden Wochen durch die immer später einsetzende Dämmerung verschlechtern. Venus bleibt unser „Morgenstern“ und ist als strahlend helles Objekt vor dem Sonnenaufgang in östlicher Richtung deutlich erkennbar. Saturn hingegen ist schwer aufzufinden, da er in der Morgendämmerung erst kurz vor der Sonne aufgeht.
Eines der erfolgreichsten Raumflugunternehmen aller Zeiten ging vor wenigen Tagen eher geräuschlos und unspektakulär zu Ende. Es war die Mission Gaia der europäischen Weltraumagentur ESA, die über viele Jahre hinweg riesige Datenmengen der uns umgebenden Sterne und Galaxien geliefert hatte.
Wie fast immer in der Raumfahrttechnik war der Treibstoff der Ausgangspunkt für die Beendigung des wissenschaftlich so erfolgreichen Projektes. Trotz der Tatsache, dass gerade einmal 12 Gramm Treibstoff pro Woche für die Steuerdüsen des Lagekorrektursystems zur Verfügung gestellt werden mussten, war der Tank Anfang des Jahres bereits so gut wie leer. Zwar arbeiteten alle wissenschaftlichen Experimente noch ohne Probleme und auch die Stromversorgung hätte ein noch längeres Arbeiten von Gaia ermöglicht, doch die letzten Treibstoffreserven mussten für ein abschließendes Versetzen der Bahn aufgespart werden. Ähnlich wie das wesentlich bekanntere James Webb Space Telescope hielt sich Gaia in unmittelbarer Nähe des Lagrange Punkt L2 auf. Hier in 1,5 Millionen Kilometer Abstand zu unserem Planeten heben sich die Anziehungskräfte von Sonne und Erde nahezu auf. Dort konnte aber aus Sicherheitsgründen der ausgemusterte Satellit nicht verbleiben und wurde mit den buchstäblich letzten Tropfen Treibstoff durch das Zünden des Bordtriebwerks in eine „Rentenbahn“ geschickt, wie es die Spezialisten leicht ironisch formulierten. Gaias Parkbahn gilt als absolut ungefährlich und somit besteht für die Bewohner auf der Erde zumindest durch die Gaia-Sonde keine Gefahr.
Was allerdings passiert, wenn eine Mission völlig aus dem Ruder läuft, wird sich schon in wenigen Tagen zeigen, wenn die schon seit Jahrzehnten ausgemusterte sowjetische Raumsonde Kosmos 482 auf der Erde einschlagen wird. Eigentlich war vor über 50 Jahren eine Landung auf der Venus geplant, doch schon zu Beginn der Mission 1972 verloren die Techniker im kasachischen Baikonur den Kontakt zu der Raumsonde. Nun wird sie mehr als ein halbes Jahrhundert später ungebremst in die Atmosphäre eintreten. Wie viel Metall der fast 500 kg schweren Sonde den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre überstehen wird, steht noch nicht fest, doch kann es durchaus sein, dass einige sogar größere Teile die Erdoberfläche mit der Geschwindigkeit von 242 Stundenkilometern treffen. Nicht wie sonst üblich bei absichtlich geplanten Abstürzen gibt es beim Eintauchen in die oberen Atmosphärenschichten kein vorausberechnetes Aufschlaggebiet in unbewohnten Zonen der Weltmeere. So wird man um den 10. Mai herum tatsächlich eine nicht zu leugnende und durchaus ernst zu nehmende Gefahr aus dem All haben.
Doch zurück zu Gaia: Ihre Mission verlief eher im Hintergrund des sonst so umtriebigen Wissenschaftszirkus, denn Datensätze sind zwar für Astronomen von großer Wichtigkeit, doch die bekanntermaßen aufwendig bearbeiteten Fotos der Kameras der Teleskope Webb, Hubble oder Euclid (siehe Kosmos 135,133 und 118) erregen eine ganz andere Aufmerksamkeit. Während der elfjährigen Tätigkeit gelang es Gaia mit Hilfe seiner Instrumente die Astronomie zu revolutionieren, denn die Datenflut stellt alle bisherigen Rekorde in den Schatten. Fast jede Sekunde nahm die Raumsonde Tausende kosmische Objekte auf, insgesamt drei Billionen Beobachtungen kamen so zusammen. Die Astronomen haben die Daten von Gaia in einer riesigen Datenbank gesammelt und daraus eine Art Himmelskarte der Milchstraße und des umgebenden Kosmos erstellt. Was unsere eigene Galaxis betrifft, hat die Mission so etwas wie eine Volkszählung durchgeführt und Milliarden von Sternen präzise vermessen (siehe Kosmos 93). Welche Dimensionen sich hinter diesem Sternenzensus verbergen, zeigt ein Bild dieser Durchmusterung eines Bereiches des Nachthimmels im Sternbild Sagittarius (Schütze) in atemberaubender Art und Weise, wenn man das nachfolgende Bild per Download vergrößert.
Sergei Klioner, Astronom an der TU Dresden, geht davon aus, dass bisher erst weniger als ein Drittel der Daten veröffentlicht sind. Trotzdem sind schon jetzt mehr als 13.000 wissenschaftliche Arbeiten publiziert worden und das Bild unserer Milchstraße hat sich weitestgehend geändert. Wie unsere Heimatgalaxis seitlich und von oben aussehen könnte, zeigen zwei künstlerische Darstellungen, die an Hand der Gaia-Daten angefertigt wurden, sehr eindrucksvoll.
Außerdem wartet ein weiterer „Gaia“-Datenschatz mit Informationen über 1,3 Millionen Quasare auf seine Auswertung, denn diese hellen Zentren ferner Galaxien weit außerhalb der Milchstraße gehören noch zu den wenigen ungelösten Geheimnissen unseres Kosmos. Kurz bevor die Sonde am 27. März abgeschaltet wurde, funkte der Astronom Andreas Sahlmann vom ESA-Zentrum für Weltraumastronomie noch einen letzten Funkspruch zur Sonde: „Danke, dass du uns zu den Sternen geführt hast.“
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt