Was haben Robert Habeck, Viktor Orban, Reinhold Messner, Udo Jürgens, Umberto Eco und Christian Drosten gemeinsam? In ihren Persönlichkeiten wird man wohl vergeblich nach überlagernden Lebens-Mustern oder verbindenden Charaktereigenschaften suchen. Aber sie alle sind in einem Buch des Journalisten Giovanni di Lorenzo (friedlich) vereint. „Vom Leben und anderen Zumutungen“ (Kiepenheuer) enthält einige seiner bekannt empathischen Interviews, die er in den Jahren 2014 bis 2023 führte.
Aufschlussreich gerät gleich das Vorwort, in dem di Lorenzo über den Verlauf eines Interviews mit Helene Fischer schreibt: „.... als wir uns endlich in einem Münchner Hotel zum Interview trafen, wurde es ein angenehmes, offenes Gespräch ….Helene Fischer wirkte sehr reflektiert und sympathisch“.
Doch das Management der Sängerin redigierte das Gespräch für eine Veröffentlichung dermaßen, dass die ZEIT, als Auftraggeber, überlegte, ob sie diesen überarbeiteten Text überhaupt abdrucken sollte. Die Redaktion entschied sich kurzfristig für eine Veröffentlichung und versah das Interview aber mit einem informierenden Kommentar. Das hatte wiederum zur Folge, dass der Nachdruck des Interviews für das vorliegende Buch vom Management Helene Fischers verweigert wurde.
Andere Interviewpartner scherten sich hingegen nicht im geringsten um das Autorisieren ihrer Antworten. Viktor Orban oder Recep Erdogan kümmerten sich gar nicht einmal um etwaige inhaltliche Klarstellungen. Auch Papst Franziskus hatte kaum Beanstandungen und winkte den Inhalt förmlich durch.
Eindrucksvoll verlief hingegen das Gespräch mit Daniel Cohn-Bendit, der über seine jüdische Identität spricht; mit Robert Habeck, der auch hier gewinnbringend über seine Politik und die Maßnahmen zur Klimaneutralität referiert; mit Reinhold Messner, der über Glück und Weltuntergang spricht; oder mit der Podcasterin Sabine Rückert, deren Pragmatismus und Blick auf die Welt imponiert. Es sind die Themen der Zeit, wie die Pandemieerfahrungen, die Flüchtlingskrise, der weiter zunehmende Rassismus, das Verhältnis der Kulturen untereinander, die hier sehr individuell und geistreich diskutiert werden,.
„Vom Leben und anderen Zumutungen“ beinhaltet insgesamt über 340 auch unterhaltsame Seiten, die von di Lorenzos subtilen Fragestellungen leben und mit denen er seine jeweiligen Gesprächspartner zum ausführlichen und konzentrierten Reden bringt.
Jörg Konrad
Giovanni di Lorenzo
„Vom Leben und anderen Zumutungen“
Kiepenheuer & Witsch