181. Johannes Fend - „Hinter jedem Hindernis versteckt sich auch etwas Gutes"
Gut zwei Jahre ist es her, da gehörte
Johannes Fend als Bassist zum
Franz von Chossy Trio, das im Januar in der Reihe „Jazz First“ in Fürstenfeld gasstierte. Es war ein großer Musikabend über den damals in der
SZ zu lesen war: „Mit schönen Melodien, mächtigen Harmonien und treibenden Rhythmen spielte dieses Trio eine Musik, die voller Unwägbarkeiten steckte. Und auch wenn Franz von Chossy an seinem Instrument zu außergewöhnlichen Fähigkeiten in der Lage ist - das Besondere an diesem Musikabend war das perfekte Ineinandergreifen von Stimmungen, Gedanken und Inspirationen aller drei Musiker.“
Dann schlug die Pandemie zu, das gesellschaftliche Leben wurde immer wieder bis auf das allernötigste heruntergefaheren. Künstler verloren ihre Engagements, Studiotermine fielen aus, mediale Veröffentlichungen wurden auf Eis gelegt. Was tun? Wovon leben?
Johannes Fend, Bassist aus Leidenschaft, wohnt in den Niederlanden, hat hier Jazz und Klassik studiert und in verschiedenen Formationen sich sein musikalisches Rüstzeug und die entsprechende Sicherheit erspielt.
In der Pandemie-Zeit reifte bei ihm der Gedanke, ein Soloalbum zu produzieren. Die Zeit hierfür schien reif (Bassisten wie Larry Grenadier, Marc Johnson, Mats Eilerstsen, Dieter Ilg u.a. sind dieses Wagnis zuletzt erfolgreich eingegangen). Die Ideen für dieses Projekt entstanden auf langen Spaziergängen und das Ergebnis, das mit „Journey“ vorliegt, ist faszinierend geraten. Es sind Aufnahmen voller Erhabenheit, akustische Landschaftsbegleitungen, Stimmungsbilder, verwunschene Illusionen, in denen Mensch und Instrument deutlich hörbar im Mittelpunkt stehen. Es ist ein melancholischer Grundgestus der den Kompositionen zugrunde liegt und die eine faszinierende Atmosphäre entstehen lassen.
KultKomplott: Welche Faktoren waren ausschlaggebend, dass Sie wurden, was Sie heute sind?Johannes Fend: Ich denke, dass immer viele Menschen, Einflüsse wie Bücher und auch Zufälle dafür mitverantwortlich sind, wo man sich gerade befindet. Davon abgesehen, ist wenn man lange genug konsequent arbeitet, alles möglich. Früh gute Lehrer zu haben war für mich sicher wichtig. Ich weiß nicht ob ich mich ohne ihre Ermutigung getraut hätte, ein Musikstudium ins Auge zu fassen.
KK: Wen bzw. was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?JF: Mit “Journey” möchte ich den Hörer/die Hörerin zu einer besonderen Erfahrung einladen. Es ist mehr eine Reise in Etappen als ein Album.
Das erste Stück ‘Enter’ transportiert uns in eine andere Welt, und jedes darauffolgende Stück repräsentiert ein Ereignis auf der Reise, bis uns ‘Return’ wieder zurück bringt.
Ich habe versucht so zu komponieren und aufzunehmen, dass ‘Journey’ in einem gang angehört werden kann. Ohne Pause, vom ersten bis zum letzten Stück. Es soll sein, wie wenn man im Kino einen Film ansieht. Nur, dass man hier die Augen schließt und jede(r) hinter geschlossenen Augen seine/ihre eigene Reise erfährt.
KK: Mit welchen Widrigkeiten müssen Sie sich bei Ihrer Arbeit am häufigsten auseinandersetzen?JF: Ich möchte mich nicht beschweren. Hinter jedem Hindernis versteckt sich auch etwas Gutes. So war zum Beispiel die COVID Pandemie für mich ein Geschenk von Zeit, um mein Solo Album zu verwirklichen.
KK: Welche Erlebnisse haben Sie zuletzt stark beeindruckt?JF: Ich war in den Weihnachtsferien Zuhause in Österreich und habe eines Morgens lange im Wohnzimmer meditiert. Da wurde mir klar, dass ich mein Unbehagen selber schüre, indem ich mein Wohlergehen an der Zukunft festmache. Aber es gibt keine Erlösung in der Zukunft, und keine Errungenschaft bringt bleibendes Glück. Alles Glück und Wohlbefinden kann nur jetzt, in diesem Moment (vor dem ich oft weglaufe), erfahren werden. Und so kommt man, wenn man nicht mehr versucht irgendwo hin zu gelangen, plötzlich an.
Und da finde ich es schön, dass Musik etwas ist, das im Moment passiert. Etwas, das gelebt wird und uns in die Gegenwart bringt.
Wie Alan Watts sagen würde (in etwa): Es geht nicht darum schnell zum Ende einer Symphonie zu gelangen. Denn man geht nicht in ein Konzert für den Schlussakkord, sondern für die Symphonie. Genau wie man nicht tanzt, um ans andere Ende der Tanzfläche zu gelangen. Man tanzt, um zu tanzen. Es geht darum, diesen Moment bewusst zu erleben.
KK: Welches sind die schönsten Momente in Ihrer Arbeit?JF: Ein Konzert, bei dem die Chemie stimmt. Wenn ich hinter der Bühne oder unterwegs zum Konzert eine gute Zeit mit den anderen Musikern habe. Wenn ich übe und mich in ‘Flow’ verliere. Und wenn ich nach einem Unterricht inspirierte Schüler sehe.
KK: Hören Sie Musik und wenn ja, welche Art von Musik mögen Sie besonders?JF: Wenn ich viel zu tun habe mit Proben und Konzerten, komme ich weniger dazu Musik zu hören. Aber ich mag alle möglichen Stilrichtungen, wenn ich das Gefühl kriege, dass Magie drin steckt. Zum Beispiel beim Album “Last Dance” von
Keith Jarrett und
Charlier Haden, das Stück “Musica Dolorosa” von
Peteris Vasks. Oder “We get Requests” vom
Oscar Peterson Trio.
KK: Hören Sie eher CD oder Vinyl?JF: Ich habe einen Plattenspieler. Vor kurzem habe ich mir aber sehr gute Kopfhörer gekauft und genieße damit hochauflösende Musik auf Qobuz oder Tidal.
KK: Was lesen Sie momentan?JF: Ich höre sehr viel Hörbücher und Podcasts. Vor kurzem habe ich “Can’t hurt me” von
David Goggins, “Lives of the Stoics” von
Ryan Holiday und “The Wim Hof Method” gehört. Ich lese auch gerade “The 4 Hour Chef” von
Tim Ferriss. “A book on learning disguised as a cookbook”. Weniger für das Kochen, als für seine Strategie “META” um alles Mögliche (z.B. Sprachen, Sportarten) in Rekordzeit zu lernen.
KK: Was ärgert Sie maßlos?JF: Das sind wahrscheinlich lächerliche Sachen, die mir gerade nicht einfallen.
Es bringt leider nichts sich zu ärgern. Sonst würden sich viele Probleme schnell lösen. Entweder man unternimmt etwas, oder man akzeptiert die Situation.
KK: Was freut Sie ungemein?JF: Gutes Essen.
KK: Haben Sie jemals ein Kleidungs- bzw. Möbelstück selbst gemacht?JF: Ja, ich mache gerne selber Sachen. Zum Beispiel habe ich meinen Schreibtisch und zwei Boxen die ich für Konzerte verwende selber gebaut.
KK: Von welchem Schauspieler / welcher Schauspielerin sind sie in welchem Film beeindruckt?JF: Ich schaue nicht so oft Filme. Aber Hugh Jackman finde ich beeindruckend als Menschen, nachdem ich einen langen Podcast mit ihm gehört habe.
KK: Was würden Sie gern erfinden, was es Ihrer Meinung bisher noch nicht gibt?JF: Ein Portal, durch das ich Freunde und Familie auf der Ganzen Welt besuchen kann ohne zu reisen.
KK: Fühlen Sie sich eher als Einzelkämpfer, oder Teamplayer?JF: Beides. Ich bin eher introvertiert und arbeite gerne alleine und ohne Ablenkung wie im Buch “Deep Work” von
Cal Newport illustriert. Aber am Ende ist fast alles was ich mache (Konzerte, Aufnahmen..) ein “Team Effort”.
KK: In welcher Situation haben Sie die besten Einfälle?JF: Oft am Morgen, bevor ich mir Mails und andere Nachrichten anschaue. Oder beim Spazieren.
KK: Welche Websites oder Blogs lesen Sie?JF: Bei mir sind es im Moment eher Podcasts wie “The Tim Ferriss Show”, “Making Sense” von
Sam Harris und “Contrabass Conversations” von
Jason Heath.
KK: Was würden Sie ändern, wenn Sie für einen Tag Staatsminister für Kultur wären?JF: Das ist eine große Aufgabe. Wahrscheinlich müsste ich mich erst ein Jahr lang auf diesen Tag vorbereiten.
KK: Wenn Sie eine Autobiographie schreiben würden, wie wäre der Titel?JF: Darüber mache ich mir noch keine Gedanken.
KK: Wie stellen sie sich die Zukunft vor? JF: Die Welt verändert sich ständig. Die Klima Krise, das weltweite politische Klima und neue Technologien fordern uns heraus. Wir müssen schon aufpassen wo wir da hin steuern. Auf einer persönlichen Ebene denke ich, dass man mit einer Offenheit zu lernen und sich weiter zu entwickeln, am besten für die Zukunft gewappnet ist.
Zitat von einem belgischen Album Review:
“Nach dem Ausklingen des letzten Stückes Now konnten wir nur noch drei Buchstaben stammeln: Wow!” (Hans Vermeulen, Luminous Dash)