Für den morgendlichen Beobachter hält der August ein besonderes Planetenspektakel bereit. Wie auf einer Perlenschnur aufgereiht, kann man (von Ost nach West) die Planeten Venus, Mars und Jupiter bestaunen. Zum Monatsende gesellt sich dann noch der abnehmende Mond sehr dekorativ dazu.
Selten hat es in der Gemeinde der Astronomen so viel Vorfreude auf die ersten Bilder des neuen James Webb Space Telescope gegeben wie zu Beginn des vergangenen Monats Juli. Natürlich war diese Spannung auch ordentlich angeheizt worden, denn bereits im März hatte ein erstes Bild, das eigentlich nur die Schärfeeinstellung der verschiedenen Spiegel dokumentieren sollte, bei den Enthusiasten für einen ersten Wow-Effekt gesorgt (siehe Kosmos 103).
Knapp eine Woche vor der Erstveröffentlichung der ersten Farbbilder wurde dann noch geschickt ein zweites Bild der staunenden Öffentlichkeit präsentiert: Die eigentlich nur für die präzise Ausrichtung auf das Zielobjekt zuständige Optik hatte sich 36 Stunden lang auf einen einzigen Himmelsauschnitt in der Nähe eines Sterns konzentriert, der nicht einmal mit bloßem Auge zu sehen ist. Dieses Verfahren verdeutlicht, dass das neue Weltraumteleskop gegenüber der alten Variante einen großen Vorteil hat: Während das Hubble-Space Telescopes während seiner Aufnahmesequenzen beständig nachjustiert werden muss, da es sich einmal in 90 Minuten um die Erde bewegt, steht das James Webb Space Teleskop quasi wie ein stundenlang auf der Lauer liegender Paparazzi auf seinem Beobachtungspunkt L 2. Dies ist einer der insgesamt fünf Lagrange-Punkte. Der italienische Astronom Giuseppe Lagrangia (später in Frankreich Lagrange genannt) hatte um 1800 berechnet, dass in diesen fünf Punkten die Anziehungskräfte von Sonne und Erde auf einen dort befindlichen Körper gleichgerichtet sind.
Zurück zum Teaser-Bild: Der Stern 2MASS 16235798+2826079 überstrahlt im rechten Bildrand durch seine zackenförmigen Beugungsmuster einen Teil des Bildes. Die eigentliche Sensation des Bildes ist aber, dass man mit dieser Langzeitbelichtung so tief wie noch nie ins All geschaut hat. Es wurden dadurch logischerweise Objekte sichtbar, die bisher noch völlig unbekannt waren. Wahre Massen an extrem weit entfernten Galaxien sind erkennbar und beherrschen das Bild. Mit viel Glück zählte man ein Dutzend zu unserer eigenen Milchstraße gehörenden „Zackensterne“, heraus, doch die Anzahl der Galaxien geht in die Hunderte. Lässt sich vielleicht schon aus diesem Testbild herauslesen, dass es dort draußen mehr weit entfernte Galaxien gibt als Sterne in unserer eigenen Milchstraße. Hierbei ist zu erwähnen, dass auch diese Zahl immer konkretere Ausmaße annimmt, denn der Zensus der Sterne unseres eigenen galaktischen Systems wird von der Raumsonde GAIA immer weiter vorangetrieben (siehe Kosmos 93). Der gerade veröffentlichte 3.Katalog verweist darauf, dass ungefähr 175- 225 Milliarden Sterne um das Zentrum unserer Milchstraße kreisen. Doch das erwähnte Testbild legte nahe, dass da draußen möglicherweise bis zu 1 000 000 000 000 Galaxien existieren. Eine Billionen -das hieße gleichzeitig, dass man die Lehrbücher erneut umschreiben könnte.
Dann kam aber mit dem 12.Juli der entscheidende Tag für die Veröffentlichung der allerersten Farbbilder. Unter absolutem Stillschweigen waren diese in den vorhergehenden Wochen und Monaten minutiös herausgefiltert wurden.
Eine Panne wie vor drei Jahrzehnten bei der Veröffentlichung der ersten Fotos des Hubble-Space-Telescopes wollte man sich nicht leisten. Damals hatten Unkorrektheiten beim Spiegelschleifen zu absolut unscharfen Bilder geführt. Mehrere finanziell aufwendige Missionen mit dem Space Shuttle waren damals notwendig, um dem Prestigeobjekt der astronomischen Feldforschung quasi eine Brille zu verpassen, die übrigens in Deutschland angefertigt wurde. Seit dem die NASA im Dezember 1993 mit den Worten „The troubble with Hubble is over“ den Erfolg der einzigartigen Reparaturen im Erdorbit verkündet konnte, arbeitet das Instrument nahezu einwandfrei. Die fast dreißig Stunden Außeneinsatz der Astronauten hatten sich überaus gelohnt, denn eine ungeheure Anzahl an faszinierenden Bildern des Universums sind heute verfügbar (https://esahubble.org/images/archive/top100/).
Eine derartige Service-Mission wird es zukünftig für das neue James Webb Space Telescope jedoch nicht geben, denn der bereits erwähnte Lagrange-Punkt 2 ist für ein konventionelles Raumschiff mit mehreren Astronauten an Bord nicht ansteuerbar. Auch existiert so ein „Space Ship“ in dieser Form nicht, denn aktuellen Konstruktionen sind für einen erneuten Flug zum Mond in der Erprobung.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass das neue Super-Teleskop vor seinem „First Light“ ausgiebig getestet und kalibriert wurde. Hierbei galt es sogar ein Spiegelsegment neu auszurichten, da es Anfang Juni von einem Mikrometeoriten getroffen wurde. Derartige Zwischenfälle sind natürlich auch in der Zukunft nicht auszuschließen und stellen eine nicht zu vernachlässigende Gefahr für das 10 Milliarden Dollar teure Projekt dar.
Am 12.7. um 16.30 Uhr MESZ war es dann endlich soweit. Die (astronomisch interessierte) Welt hielt den Atem an. Als die ersten Bilder dann endlich präsentiert wurden, kam man aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Bleibt zu hoffen, dass das JWST- wie es zukünftig wohl kurz und bündig bezeichnet wird- noch viele eindrucksvolle Bilder, verbunden mit einer hohen wissenschaftlichen Ausbeute, zur Erde senden wird und von unvorhersehbaren Treffern verschont bleibt.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt