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37. München: Ein fulminanter Jazz Sommer im Bayerischen Hof
38. Fürstenfeld: Mojo Blues Band - Down the Highway 61
39. München: Tower of Power in der Theaterfabrik - Celebrating Funk
40. Germering: Richard Koch Quartett - Auf unterschiedlichen Spuren
41. Ernst-Ludwig Petrowsky (geb. 10. Dezember 1933 in Güstrow, gest. 10. Juli ...
42. Fürstenfeldbruck: Die Brucker Kulturnacht `23 - eine Riesensause für das ...
Sonntag 30.07.2023
München: Ein fulminanter Jazz Sommer im Bayerischen Hof
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München. Nach drei Jahren Corona bedingter Pause und unter neuer Festivalleitung des Musik- und Kulturjournalisten Oliver Hochkeppel war es letzte Woche endlich soweit: der Jazz Sommer im Bayerischen Hof wieder am Start! Das Ganze mit enormer musikalischer Wucht und einem vielseitigen, abwechslungsreichen Programm. Den ersten Wumms und Pre-Opening des Festivals bestritt die aktuell angesagte Saxophonistin Lakecia Benjamin mit ihrem hochkarätig besetzten Quartett. Ein paar Tage später überraschte der mit dem Kurt Maas Jazz Award ausgezeichnete südkoreanische Schlagzeuger Minchan Kim, nicht nur im Duo mit Theo Kollross wie im Programm angekündigt, sondern mal im Trio mit dem Bassisten Dae Ho Kim und im Quartett mit Tom Förster auf der Bühne des Nightclubs im Hotel Bayerischer Hof.

Tags darauf folgte der offizielle Startschuss des diesjährigen Jazz Sommers, frei nach Mark Twain unter dem Motto „Bummel durch Europa“ mit der Münchner Jazzrausch Big Band, die unter Chefkomponist Leonhard Kuhn eine speziell für das Festival in Auftrag gegebene Komposition mit dem Titel „Europa“ uraufführte. Die musikalische Reise begann in Paris und führte über Prag, Riga oder Pula quer durch Europa. Eine gelungene Mischung aus Techno, Jazz und Freiräume für Soli des 15-köpfigen Ensembles. Jazzrausch Big Band Deluxe eben. Nach dem offiziellen „Europa“- Part und einer kurzen Verschnaufpause, wurde mit ausgewählten Tracks aus dem Programm „Bangers Only“ im Festsaal des Hotels gefeiert was das Zeug hielt, die Location in Nebel getaucht und zur Techno Party Zone transformiert. Im Anschluss daran ging es im Nightclub mit dem Quartett des portugiesischen Pianisten Julio Resende mit anmutigen, leiseren Tönen und seinem feinen Fado Jazz weiter. Ein berührendes Konzert, das die Komponenten Fado und Jazz eindrucksvoll miteinander verwoben hat. Am Abend darauf führte der Europajazzbummel nach England. Trompeterin Laura Jurd und Pianist Elliott Galvin sind ein ganz besonderes Duo. Sie interpretierten und zerlegten fachgerecht gemeinsam Stücke von Thelonius Monk, Charlie Mingus oder Ornette Coleman, gespickt mit inspirierten Improvisationen. Ein hochkarätiges Programm, ergänzt durch eigene Kompositionen der beiden Musiker. Spannend vom ersten bis zum letzten Ton. Tags darauf ging der Bummel weiter nach Finnland. Trompeter Verneri Pohjola und seine Band „Monkey Mind“ entführten das Publikum mit teilweise melancholischen Klängen, wie bei „For Our Children“, in seinen musikalischen Kosmos. Bei „Party In The Attic“ oder „Presence Of Today“ z.B. blitzte bei seinem Spiel immer wieder der Schalk im Nacken auf. Im weiteren Verlauf des Konzertes entfachte er mit treibenden Melodielinien, auch hier ließen neben den Originals mal Monk, mal Mingus grüßen, augenzwinkernd, seine eigenen Versionen von Jazzstandards. Höhepunkt des Abends, nach zwei wunderbaren Sets, war zweifellos Pohjolas Zugabe im Duo mit seinem langjährig vertrauten Pianisten Tuomo Prättätä und einer sensationellen Version von Ornette Colemans „What Reason Could I Give“. Weiter ging es am nächsten Tag dann mit einem ganz besonderen Trio aus Österreich und Kroatien. Die musikalische Reise des Duos Klaus Paier/Asja Valcic begann vor mittlerweile 14 Jahren und klingt frischer denn je. Als Verstärkung haben sich die beiden Ausnahmemusiker den großartigen Wolfgang Puschnig dazu geholt. Gemeinsam im Trio und wechselnd musizierenden Duos fanden abwechslungsreiche, spannende Konversationen zwischen Akkordeon/Saxophon, Cello/Flöte oder klassisch mit Cello und Akkordeon/Bandoneon statt. Highlight des Konzertes: die Komposition „Surroundings“ von Wolfgang Puschnig.
Zum Abschluss des Jazz Sommers gab es dieses Jahr nicht, wie in den vergangenen Jahren üblich, eine Jazz/Funk/Dance-Night. Den Ausklang des Europabummel bestritt Nils Petter Molvaer im Trio mit dem Bassisten Jo Berger Myhre und Erland Dahlen am Schlagzeug. Ein kurzweiliger Abend, mit einem streckenweise, für meinen Geschmack, etwas zu elegischem Sound. Die zum Teil treibenden Rhythmen von Erland Dahlen und das stellenweise kraftvolle Spiel von Myhre verpufften in Molvaers vornehmlich meditativ linearem Trompetenspiel. Vom Intro „Framework“ über „Sudden Rash“ bis hin zu „Mercury Heart“ oder „Funeral“ verharrte das Ganze in einem abstrakt weihevollen Sound. Bei der ersten Zugabe „Ligotage“ blitzte dann plötzlich der alte Nils Petter Molvaer auf, komplex, vielschichtig und verabschiedete sich danach bei „True Love Waits“ von Radiohead versöhnlich mit leisen Tönen.

In den Pausen konnte man während des Festivals das Auge im Atrium des Hotels bei der beeindrucken Fotoausstellung „RAW“ mit s/w Jazzportraits und Momentaufnahmen von Lena Semmelroggen schweifen lassen. Wer es sich vor den Konzerten zeitlich hat einrichten können, läutete den Abend mit dem ausgewählten Musik Kinoprogramm in der hoteleigenen astor@Cinema Lounge ein. Nach einer musikalisch erfüllten Jazzwoche ohne große Verschnaufpause, endet der Bummel durch Europa nun bei einem gemütlichen Kaffee zuhause. Zeit, diese großartige Woche noch einmal Revue passieren zu lassen. Im Nachhinein ein gelungenes Festival mit viel Abwechslung und neuen Impulsen. Weiter so Herr Hochkeppel!
TEXT & FOTOS: Thomas J. Krebs
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Freitag 21.07.2023
Fürstenfeld: Mojo Blues Band - Down the Highway 61
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Fürstenfeld. Erik Trauner steht mit einer Selbstverständlichkeit auf der Bühne des Veranstaltungsforum Fürstenfeld und spielt Musik, die tausende Kilometer entfernt und vor über 100 Jahren entstand. Der Gitarrist und Sänger geht mit einer coolness an seine Arbeit, als wäre er damals selbst vor Ort gewesen, persönlicher Teil dieser Genesis. In jungen Jahren hatte Trauner noch als Straßenmusiker in Wien erste einschlägige Erfahrungen mit dem Blues gesammelt. Bei weitem nicht nur positive. Er musste sich durchbeißen und hatte damals, wie man so schön sagt, zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Das änderte sich mit der Gründung der Mojo Blues Band ab 1977 langsam aber stetig. Und liest man deren Historie dann wird deutlich, dass sich Obession und Zähigkeit auszahlen. Denn heute, sechsundvierzig Jahre und über 5000 Konzerte später, tourt das Quintett durch ausverkaufte Säle, spielt bei Jazzfestivals, ist im Mutterland des Blues unterwegs und hinterlässt überall ein begeistertes Publikum. Die Band hat sich überwiegend den Chicago Blues auf die Fahnen geschrieben, den sie dann auch authentisch zelebriert.
Doch das Thema am Donnerstagabend lautete Down The Highway 61 und bedeutete nichts anderes, als eine Bluesreise quer durch die Staaten. Es ist jene Route, die schon etlichen Bluesmusiker nahmen, von Auftritt zu Auftritt reisten und sich unterwegs musikalisch austauschten. Ob in Chicago, in St. Louis, in Memphis, Mississippi oder in New Orleans. Jeder dieser Orte ist ein eigenes Blues-Zentrum, hat seine Besonderheiten und Stars. Und aus diesem reichhaltigen Potpourrie der Stile bediente sich die Mojo Blues Band, spielte feurigen Boogie Woogie, tanzbaren Zydeco, Cajun-Walzer, Nummern von Muddy Waters, B.B. King und natürlich wunderbare Balladen von Eddie Boyd, Trauners heutigem Favoriten.
„Ganz zufällig“ kam dann ein Bluesmusikant aus der Nachbargemeinde Gauting vorbei und gesellte sich zu den Wienern auf die Bühne: Ludwig Seuss, nebenher noch immer festes Mitglied der Spider Murphy Gang. Gemeinsam brachten sie den ausverkauften Kleinen Saal zum kochen, machten deutlich, dass der Blues als musikalisches Fundament auch heute noch seine Berechtigung hat und vom Publikum regelrecht gefeiert wird. Egal welchen Alters!
Jörg Konrad
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Dienstag 18.07.2023
München: Tower of Power in der Theaterfabrik - Celebrating Funk
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Es gibt sie noch - Legenden! Die legendäre Band TOWER OF POWER, gegründet im letzten Jahrtausend 1968 n. Chr. in Oakland, Kalifornien. Fast 600 Jahre musikalische Erfahrung versammeln sich auf der Bühne der Münchner Theaterfabrik und zünden ein Funk & Soul Feuerwerk, das seinesgleichen sucht.

Die Band um die beiden Masterminds Doc Kupka und Emilio Castillo just „Came To Play“ für das Münchner Publikum. Ihre Maxime „Soul With A Capital „S“ “ war Programm des Abends und zog sich wie ein roter Faden durch das ganze Konzert. All were „Having Fun“ und als Sänger und Keyboarder Mike Jerel die Devise „You Got To Funkifize“ ausgab, gab es spätestens jetzt kein Halten mehr. Der Groove fetzte und die Band machte das, was sie bei einer solch ausgelassenen Stimmung unbedingt tun sollte „Don’t Change Horses In The Middle Of A Stream“. Guter Rat, denn gleich danach ging es „Down To The Nightclub“, um einfach weiter zu feiern und Party zu machen. Kurze Verschnaufpause dann mit der Ballade und dem ersten Song, den Kupka und Castillo 1968 gemeinsam komponiert haben: „You’re Still A Young Man“ - passt wie die Faust auf’s Auge, pures Entertainment mit großartigem typischen 60th Sound. Das Alter merkt man keinem der Musiker an, auch nach mehr als einem halben Jahrhundert Bandgeschichte. Dann ein Kompliment an das Publikum „To Say The Least You're the Most“, gleich darauf der Realitätscheck, yes „This Time Is Real“, kein Fake, sondern Funk & Soul pur. Kondenswasser tropft von der Decke der Theaterfabrik. Eine Sauna ist angenehmer, ein Aufguss mit Wodka wäre jetzt nicht schlecht. Gnadenlos geht es mit “Squib Cakes“ weiter, die Ladies wackeln passend dazu mit den Hüften, um es mal vornehm auszudrücken. OK, endlich, yeah, eine kurze Pause, Verschnaufen, die Band wird ausführlich vorgestellt. Zeit sich ein wenig abzukühlen, nope, no chance, denn gleich darauf folgt „Diggin‘ on James Brown“, ein nach wie vor hammermäßig grooviges Funkmedley, James Brown eben, was sonst. Aber jetzt, zur Abwechslung mal wieder eine Ballade „So Very Hard To Go“ … what jetzt soll Schluss sein? Safe not: Frage ins Publikum „So What Is Hip“? Antwort: TOWER OF POWER! Moment mal, wer gesellt sich denn da als Special Guest auf die Bühne: der Saxophonist Thorsten Skringer von den Heavytones - irre! Jetzt drehen alle durch, die Stimmung ist auf dem absoluten Siedepunkt, das Fass mittlerweile fast am Überlaufen, zumindest schweißtechnisch ist bei mir kein Faden am Körper mehr trocken. Die Band verlässt die Bühne, um kurz darauf mit „Souled Out“ allen nochmal zu zeigen wo nach gut 100 Minuten der Soulhammer in der ausverkauften Theaterfabrik hängt.

Mehr ging nun wirklich nicht, ein Abend, so was von funky, hip und absolut serious erlebt man definitiv nicht alle Tage - Meister ihres Fachs eben. Mittlerweile feiern drei Generationen die Band. Kids, ihre Eltern und die Großeltern - so geht Kommunikation und funktioniert ausgelassenes, stimmungsgeladenes Miteinander.

Text & Fotos: Thomas J. Krebs
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Sonntag 16.07.2023
Germering: Richard Koch Quartett - Auf unterschiedlichen Spuren
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Foto: Richard Koch
Germering. Ist die Provinienz einer Person für die Entstehung seines Sounds oder einer Komposition heute noch entscheidend? Der Saxophonist und Musikwissenschaftler Ekkehard Jost stellte diese Frage für den Jazz schon vor Jahren. Seine Antwort lautet: Jein. Denn es gibt derart viele Faktoren, die zusammenwirken und letztendlich eine ganz individuelle Stimme und damit musikalische Grundhaltung herausbilden. Trompeter Richard Koch ist in Tulln an der Donau geboren, hat in Stuttgart und Berlin studiert und lebt heute im ländlichen Umfeld der Hauptstadt. Er spielte mit den kreativen Kraftwerken der Jazzszene, aber auch mit Electronicern wie Nils Frahm und Jimi Tenor und er gehörte zur unglaublich erfolgreichen Begleitband des deutschen Hip Hopers Peter Fox. All diese Erlebnisse haben Spuren hinterlassen – die eben auch in die Arbeit seines Quartetts mit Michael Hornek (Piano), Matthias Pichler (Bass ) und Moritz Baumgärtner (Schlagzeug) einfließen.
Mit dieser Band gastierte Koch am letzten Freitag in der Reihe Jazz It in der Germeringer Stadthalle und präsentierte überwiegend Material aus dem letzten Album „Fluss“. Musik, die von melodisch eingängigen Themen und Groove orientierten Rhythmen lebt. Und auch live kein Hang zu überdimensionierter Virtuosität, keine improvisatorischen Marathonläufe und auch keine idealisierenden Verinnerlichungen. Stattdessen gab es Musik mit Seele, die von einem ständigen Austausch der Instrumentalisten lebte. Koch beeindruckte durch einen raunzigen, knarzigen, oft einen an Lester Bowie erinnernden Sound. Mit diesem Ton bekommt jede eingängige Melodie einen Hauch Blues, wirkt ebenso unerschütterlich wie auch verletzlich. Man spürt ein Spannungsfeld zwischen größtmöglicher Entspanntheit bei größtmöglicher Konzentration. Es wird respektvoll die Tradition geplündert und zugleich nach neuen musikalischen Wegen gesucht. Es geht eben nicht um ein Reinheitsgebot im Jazz, sondern um den individuellen Ausdruck, um kollektive Vitalität und das große Vergnügen, dass diese Musik bereitet – ganz egal welcher Provinienz die Interpreten sind.
Jörg Konrad
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Dienstag 11.07.2023
Ernst-Ludwig Petrowsky (geb. 10. Dezember 1933 in Güstrow, gest. 10. Juli 2023 in Berlin)
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Ernst Ludwig Petrowsky
„Radau!“
„Rabatz!“
„Remmidemmi!“
Alle erschienen auf Euphorium Records
(www.euphorium.de)

Der Abend im Leipziger Kult-Club nato gehörte am 13. Dezember 2015 ganz Ernst Ludwig Petrowsky. Der Saxophonist präsentierte wenige Tage nach seinem 82. Geburtstag drei Besetzungen und machte, selbst in Bestform, deutlich, wie tiefgründig die „flüchtige“ Kunst des Improvisierens sein kann. Petrowsky pur, das bedeutet: Unberechenbarkeit, Hingabe, Intellekt, musikalische Kompetenz auf höchstem Energielevel umgesetzt. Urs Leimgruber, der Schweizer Holzbläser, urteilte über den Abend, dass die Musik ihn an die Strahlkraft des legendären John Coltrane Quintetts mit Pharoah Sanders erinnerte.
Petrowsky hat mit diesen Einspielungen seine ohnehin schon legendäre Lebensleistung zusätzlich gekrönt - im Trio (mit Elan Pauer und Christian Lillinger), im Quintett (Trio plus John Edwards und Robert Landfermann am Bass), im Septett (Quintett plus Urs Leimgruber und Axel Dörner). Es ist ungezähmte Musik, die er mit seinen Mannen bändigt, ständig sich verändernde Musik, mal klar strukturiert, mal frei von allen Konventionen. Aber immer spannend, risikoreich und radikal. In allem, was Petrowsky spielt, ist eine immense Dynamik spürbar, ist ein stetiger musikalischer Veränderungsprozess akustisch nachvollziehbar. Hier gehen Sozialisation und Weltsicht, Konzentration und kreative Unruhe Hand in Hand. In seinen Formationen ist, wie im vorliegenden Fall, stets ein konsequent umgesetztes Gruppengeflecht von Einzelstimmen zu erleben. Ebenso spontan wie kompositorisch durchdacht.
Zu allen Besetzungen in Leipzig gehörten Pianist Elan Pauer alias Oliver Schwerdt und Schlagzeuger Christian Lillinger, der erst im letzten Jahr den SWR-Jazzpreis erhielt. Allein dieses eineinhalb Generationen jüngere Duo strotzt nur so vor Ideenreichtum und rhythmischer Finesse. Beide geben der Musik ständige Impulse, nehmen die Motive Petrowskys auf, entwickeln sie weiter, lenken sie in andere Richtungen – bis Neues entsteht. Sie sind ebenso hervorragende Solisten, wie empathische Sideman. Und sie tragen Petrowskys Gedanken auch in die Quintett- und Septett-Besetzungen, halten die Musik zusammen, oder lassen einfach los und schaffen so Raum für beispielhafte Improvisationen. Ganz dem Ausspruch des britischen Gitarristen Derek Bailey verpflichtend: „Wenn eine Spezies nicht improvisieren kann, stirbt sie aus.“
Der aus Güstrow in Mecklenburg Vorpommern stammende Saxophonist ist einer der Stimmführer im Reigen der europäischen Avantgarde. Ein Berserker am Instrument. Vital und unermüdlich hat er jede Form von Musik spielerisch hinterfragt, ist oft zu neuen, individuellen Ergebnissen gekommen, die er ebenfalls weiterentwickelte. Es gibt wohl keine Musik, die Ernst Ludwig Petrowsky in seinem Leben nicht gespielt hat. Seine ersten musikalischen Gehversuche unternahm er 12jährig noch schüchtern an der Geige. Mit 16 wurde er Mitglied des Domchores seiner Heimatstadt Güstrow. Er spielte Tanzmusik im Orchester Max Reichelt, war Mitglied des legendären Manfred-Ludwig-Sextetts und der Grenzen sprengenden Klaus Lenz Big Band. Dabei hat er alle Höhen und Tiefen eines Jazzmusiker durchlebt. Als Star einer kleinen, überschaubaren Szene in der DDR wurde er staatlich geehrt und spielte für Honorare, die nicht einmal fürs Essen reichten. Doch kreativ und besessen ist Luten, wie man ihn seit Kindheit nennt, trotzdem geblieben. Sein Spiel wurde immer druckvoller, ironisch überspitzt, frei. Ob im Free-Jazz-Quartett Synopsis, das später in Zentralquartett umgetauft wurde, im international besetzten All-Star-Ensemble des stilistischen Tausendsassas George Gruntz und selbst im Duo mit seiner Partnerin, der Sängerin Uschi Brüning.
Der Jazz-Publizist Bert Noglik sagte einmal über ihn: „Petrowskys Stärke besteht auch darin, Risiken zu suchen und zu bewältigen“. Er selbst drückte dies einmal so aus: „Ich bin ein Feind jeder musikalischen Schmalspurphilosophie und ich möchte dies auch bewusst hören lassen.“ Dies kann man auch als Haltung bezeichnen. Eine Haltung die, wie Noglik weiter ausführt, sich und die eigenen Fähigkeiten immer wieder in Frage stellt und jede Möglichkeit ausschließt, sich in einem stilistischen Bereich „einzurichten“.
Allein die Titel der auf dem Leipziger Euphonium Label veröffentlichten Aufnahmen aus der nato machen diese Kompromisslosigkeit deutlich: „Radau!“, „Rabatz!“ und „Remmidemmi“. Einmalig, unwiederholbar und immer mittendrin, im Auge des Jazztaifuns: New Old Luten eben.
Jörg Konrad

(Text erschien Januar 2018 auf KultKomplott)
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Sonntag 09.07.2023
Fürstenfeldbruck: Die Brucker Kulturnacht `23 - eine Riesensause für das Publikum!
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Auch dieses Jahr hat sich die Arbeitsgemeinschaft Brucker Kulturnacht wieder Einiges einfallen lassen. An insgesamt 15 Spielorten fand eine breite Auswahl an unterschiedlichen Events statt. Von Live-Konzerten, Poetry Slam, Kabarett, über Lesungen, Performances, Ausstellungen, Kino, Theater oder Abtanzen bis in die späte Nacht war für jeden etwas dabei, um einen unbeschwerten kulturell einzigartigen Abend zu erleben. Das Wetter spielte auch wieder mit, somit waren die Bedingungen für eine erfolgreiche Veranstaltung optimal. Unterwegs trifft man auf Walk-Acts, zwischendurch schnell einen Kaffee oder kleinen Snack, bevor man sich die nächste Vorstellung anschaut. Das konnte/sollte man im Vorwege mit dem informativen Begleitheft allerdings gut planen, um seine persönlichen Highlights auszuwählen. Unter den gut einhundert der am Abend stattfindenden Programmpunkte hatte man wie immer die Qual der Wahl. Mit dem Fahrrad kommt man schnell vom einen zum anderen Spielort, auch ein Busshuttle und das Brucker Radlmobil bringen die Besucher unkompliziert von A nach B. So war man gut unterwegs und konnte das Angebot der verschiedenen Locations optimal nutzen.
Das Einzigartige an der Brucker Kulturnacht ist, es gibt es jedes Jahr wieder Neues zu entdecken: ob Andrea Pancurs Alpenklezmer im Lichtspielhaus mit anschließenden Kurzfilmen von Studenten der HFF, das grandiose Zusammenspiel von Orgel und Saxophon in der Klosterkirche, ein Performance Experiment mit Alicia Henry oder Kabarett mit Bumillo in der Stadtbiliothek, sowie das Impro Theater mit IN IMPRO VERITAS und dem Impro Nachwuchs des Gymnasiums Fürstenfeldbruck in der Neuen Bühne Bruck - ein erstklassiges Programm! Die Spielstätten waren durchweg gut gefüllt und das Publikum von den abwechslungsreichen Aufführungen begeistert. Es gab kulturell viel zu Erleben an dem Abend, gute Gespräche untereinander und entspannte Begegnungen mit einer Superstimmung. Da darf man schon gespannt sein auf die nächste Brucker Kulturnacht!
TEXT & FOTOS: Thomas J. Krebs
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