Tags darauf folgte der offizielle Startschuss des diesjährigen Jazz Sommers, frei nach Mark Twain unter dem Motto „Bummel durch Europa“ mit der Münchner Jazzrausch Big Band, die unter Chefkomponist Leonhard Kuhn eine speziell für das Festival in Auftrag gegebene Komposition mit dem Titel „Europa“ uraufführte. Die musikalische Reise begann in Paris und führte über Prag, Riga oder Pula quer durch Europa. Eine gelungene Mischung aus Techno, Jazz und Freiräume für Soli des 15-köpfigen Ensembles. Jazzrausch Big Band Deluxe eben. Nach dem offiziellen „Europa“- Part und einer kurzen Verschnaufpause, wurde mit ausgewählten Tracks aus dem Programm „Bangers Only“ im Festsaal des Hotels gefeiert was das Zeug hielt, die Location in Nebel getaucht und zur Techno Party Zone transformiert. Im Anschluss daran ging es im Nightclub mit dem Quartett des portugiesischen Pianisten Julio Resende mit anmutigen, leiseren Tönen und seinem feinen Fado Jazz weiter. Ein berührendes Konzert, das die Komponenten Fado und Jazz eindrucksvoll miteinander verwoben hat. Am Abend darauf führte der Europajazzbummel nach England. Trompeterin Laura Jurd und Pianist Elliott Galvin sind ein ganz besonderes Duo. Sie interpretierten und zerlegten fachgerecht gemeinsam Stücke von Thelonius Monk, Charlie Mingus oder Ornette Coleman, gespickt mit inspirierten Improvisationen. Ein hochkarätiges Programm, ergänzt durch eigene Kompositionen der beiden Musiker. Spannend vom ersten bis zum letzten Ton. Tags darauf ging der Bummel weiter nach Finnland. Trompeter Verneri Pohjola und seine Band „Monkey Mind“ entführten das Publikum mit teilweise melancholischen Klängen, wie bei „For Our Children“, in seinen musikalischen Kosmos. Bei „Party In The Attic“ oder „Presence Of Today“ z.B. blitzte bei seinem Spiel immer wieder der Schalk im Nacken auf. Im weiteren Verlauf des Konzertes entfachte er mit treibenden Melodielinien, auch hier ließen neben den Originals mal Monk, mal Mingus grüßen, augenzwinkernd, seine eigenen Versionen von Jazzstandards. Höhepunkt des Abends, nach zwei wunderbaren Sets, war zweifellos Pohjolas Zugabe im Duo mit seinem langjährig vertrauten Pianisten Tuomo Prättätä und einer sensationellen Version von Ornette Colemans „What Reason Could I Give“. Weiter ging es am nächsten Tag dann mit einem ganz besonderen Trio aus Österreich und Kroatien. Die musikalische Reise des Duos Klaus Paier/Asja Valcic begann vor mittlerweile 14 Jahren und klingt frischer denn je. Als Verstärkung haben sich die beiden Ausnahmemusiker den großartigen Wolfgang Puschnig dazu geholt. Gemeinsam im Trio und wechselnd musizierenden Duos fanden abwechslungsreiche, spannende Konversationen zwischen Akkordeon/Saxophon, Cello/Flöte oder klassisch mit Cello und Akkordeon/Bandoneon statt. Highlight des Konzertes: die Komposition „Surroundings“ von Wolfgang Puschnig.
Zum Abschluss des Jazz Sommers gab es dieses Jahr nicht, wie in den vergangenen Jahren üblich, eine Jazz/Funk/Dance-Night. Den Ausklang des Europabummel bestritt Nils Petter Molvaer im Trio mit dem Bassisten Jo Berger Myhre und Erland Dahlen am Schlagzeug. Ein kurzweiliger Abend, mit einem streckenweise, für meinen Geschmack, etwas zu elegischem Sound. Die zum Teil treibenden Rhythmen von Erland Dahlen und das stellenweise kraftvolle Spiel von Myhre verpufften in Molvaers vornehmlich meditativ linearem Trompetenspiel. Vom Intro „Framework“ über „Sudden Rash“ bis hin zu „Mercury Heart“ oder „Funeral“ verharrte das Ganze in einem abstrakt weihevollen Sound. Bei der ersten Zugabe „Ligotage“ blitzte dann plötzlich der alte Nils Petter Molvaer auf, komplex, vielschichtig und verabschiedete sich danach bei „True Love Waits“ von Radiohead versöhnlich mit leisen Tönen.
In den Pausen konnte man während des Festivals das Auge im Atrium des Hotels bei der beeindrucken Fotoausstellung „RAW“ mit s/w Jazzportraits und Momentaufnahmen von Lena Semmelroggen schweifen lassen. Wer es sich vor den Konzerten zeitlich hat einrichten können, läutete den Abend mit dem ausgewählten Musik Kinoprogramm in der hoteleigenen astor@Cinema Lounge ein. Nach einer musikalisch erfüllten Jazzwoche ohne große Verschnaufpause, endet der Bummel durch Europa nun bei einem gemütlichen Kaffee zuhause. Zeit, diese großartige Woche noch einmal Revue passieren zu lassen. Im Nachhinein ein gelungenes Festival mit viel Abwechslung und neuen Impulsen. Weiter so Herr Hochkeppel!
TEXT & FOTOS: Thomas J. Krebs