Dabei zeigt er sich als Traditionalist, als ein vom Jazz und der südafrikanischen Geschichte infizierter Instrumentalist, als ein freier Improvisator und überzeugter Volksmusiker. Und das was er spielt, egal ob mit südafrikanischen Sidemans, mit Stars der Jazzszene wie Elvin Jones, Don Cherry und Archie Shepp, oder als Solist, sind musikalische Erzählungen über Unterdrückung und Befreiungskämpfe, über Ungerechtigkeit und Auflehnung, über das Verhältnis von Trauer, Stolz und Leidenschaft. Dabei war Ibrahim immer ein ebenso überzeugender Komponist, wie auch überzeugter Improvisator. Er hat Stücke geschrieben, die in ihrer Allgemeingültigkeit Jahrzehnte überdauerten, er war in jungen Jahren ein begnadeter Begleiter von Gospelchören und er hat auf der Bühne oder im Studio adhoc über Kindermelodien bis hin zu avantgardistischen Tongemälden etliches improvisiert.
In diesem Jahr wird der in Kapstadt geborene Pianist 90 Jahre alt. Seine ersten Aufnahmen erschienen 1960, damals noch unter dem Namen Dollar Brand. Seitdem hat er weit mehr als 60 Alben veröffentlicht. Ein sehr großer Teil von ihnen wurde von seinem einstigen Hauslabel Enja Records in München betreut. Nun ist er schon eine Weile beim in London und Tokio ansässigen Label Gearbox.?
„3“ ist das Ergebnis eines Auftritts vom Sommer 2023 in der ausverkauften Londoner Barbican Hall. Der erste Teil der Aufnahmen ist in den Nachmittagsstunden ohne Publikum direkt analog aufgenommen worden. Neben Ibrahim musizieren Cleave Guyton Jr. (Flöten, Saxophone) und die Cellistin und Bassistin Noah Jackson. Es sind ruhige, fast kontemplative Aufnahmen, die in einem ganz besonderem Licht strahlen und wie eine Klammer unterschiedliche Kulturen sehr friedvoll zusammenhalten. Die Musik klingt wie ein Resümee, eine Reflektion dessen, was Ibrahim im Laufe seines Lebens erlebt und gespielt hat. Magische Klangmomente, meilenweit entfernt von den Wirrnissen, Herausforderungen und dem Unfrieden weltpolitischer Auseinandersetzungen. Besonders wird dies in Ibrahims Interpretation des Duke Ellington-Klassikers „In A Sentimental Mood“ deutlich, der den Südafrikaner ein Leben lang begleitet.
Die musikalische Welt des Abudallh Ibrahim ist groß und weit. Er hat in seinem Spiel Gegensätze miteinander vereint, afrikanische und westliche Kulturen auf einen Jazz-Nenner gebracht, die Gemeinsamkeiten von sakralen und weltlichen Spieltraditionen gebündelt. „3“ ist ein Album, das dem Lebenswerk des großen Südafrikanischen Künstlers voll gerecht wird.
Jörg Konrad
Abdullah Ibrahim
„3“
Gearbox
„3“
Gearbox